Das Corpus callosum
Zwei Hälften hat das Hirn. Das zeigt sich auf den ersten Blick, denn die Mantelkante, die Fissura longitudinalis, teilt das Großhirn in zwei Hemisphären. Diesen trennenden Spalt überbrückt unter anderem der Balken, das Corpus callosum, eine mächtige Struktur aus etwa 200 Millionen Fasern beim Menschen.
Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. Oliver von Bohlen und Halbach
Veröffentlicht: 01.07.2025
Niveau: mittel
Das Corpus callosum ist das wichtigste Bahnensystem zur Verbindung der beiden Hemisphären. Es beherbergt etwa 200 Millionen Fasern, die den Informationsaustausch ermöglichen. Dieser ist von enormer Bedeutung, wie das von Split-Brain-Patienten zeigt.
Corpus callosum
Balken/Corpus callosum/corpus callosum
Als größte Kommissur (Verbindung im Gehirn) verbindet das Corpus callosum (Balken) die beiden Großhirnhemisphären. Es besteht aus 200-250 Millionen Nervenfasern und dient dem Informationsaustausch.
Im Gehirn dreht sich alles um die Vernetzung von Neuronen: Aufsteigende und absteigende Informationen müssen von einer Nervenzelle an die nächste weitergegeben werden, selbst wenn diese sich in einem ganz anderen Hirnareal befindet. Man kann das Gehirn unter dem vernetzten Gesichtspunkt auch als „small world“ betrachten, in der jedes Neuron mit jedem beliebigen anderen über nur wenige Zwischenschritte verknüpft ist. Bei dieser Verknüpfung lassen sich im Cortex funktionell drei Arten von Fasern unterscheiden:
- Der Balken besteht aus Kommissurenfasern. Sie verbinden beide Hemisphären miteinander. Neben dem Balken gibt es noch weitere Kommissuren, wie die Commissura anterior, Commissura posterior und den Fornix.
- Projektionsfasern verbinden den Cortex mit subcorticalen Bereichen, wie dem Thalamus oder dem Hirnstamm. Eine der prominentesten Faserbahnen ist die Capsula interna.
- Assoziationsfasern verbinden einzelne Cortexareale einer Hemisphäre so etwa den präfrontalen Cortex mit den motorischen Cortices.
Cortex
Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex
Cortex bezeichnet eine Ansammlung von Neuronen, typischerweise in Form einer dünnen Oberfläche. Meist ist allerdings der Cortex cerebri gemeint, die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.
Eine solch verbindende Struktur wird dringend benötigt, denn die beiden Großhirnhemisphären haben nicht nur teils unterschiedliche Aufgaben. Sie verarbeiten in den meisten Fällen auch Informationen der gegenüberliegenden Körperseite. Im primären visuellen Cortex beispielsweise wird die Information des linken Gesichtsfeldes von der rechten Hemisphäre verarbeitet. Wir erleben jedoch keine Überlagerung von perspektivisch leicht unterschiedlichen Gesichtsfeldern – wir erleben ein einziges, stimmiges Bild der Umwelt. Spätestens hier wird deutlich, wie wichtig der Informationsaustausch zwischen beiden Hirnhälften ist.
Cortex
Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex
Cortex bezeichnet eine Ansammlung von Neuronen, typischerweise in Form einer dünnen Oberfläche. Meist ist allerdings der Cortex cerebri gemeint, die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.
Mehr Fächer als Balken
Die entscheidende Struktur hierfür ist der Balken. Auf seiner gesamten Länge kreuzen so genannte Kommissurenfasern von einer Hemisphäre zur anderen. Die Fasern selbst bestehen aus den Axonen der Pyramidenzellen eines Cortexareals und verbinden dieses mit dem entsprechenden Areal der anderen Hemisphäre.
Besonders gut sieht man die gebogene Struktur des Balkens bei einem Schnitt entlang der Längsfurche. Dann lassen sich einzelne Abschnitte unterscheiden. Sie haben in der Anatomie die Bezeichungen Schnabel (Rostrum), Knie (Genu), Stamm (Truncus) und Wulst (Splenium) erhalten. Präpariert man den Balken von oben her, erscheint er im Ganzen als ein fächerförmiges Fasersystem, dessen Fasern im mittleren Bereich transversal verlaufen, im vorderen Bereich in frontaler Richtung und im hinteren Bereich in okzipitaler Richtung abbiegen. Innerhalb des Balkens werden die Fasern, die die beiden Frontallappen verbinden, als Forceps frontalis bezeichnet, und zwischen den beiden Okzipitallappen als Forceps occipitalis.
All das klingt sehr trocken anatomisch und wird dem Corpus callosum kaum gerecht. Denn das offenbart seine wahre Schönheit erst, seit wir es per Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI) untersuchen und diese Daten entsprechend aufarbeiten können. Jeff Lichtman war einer der ersten Forscher, denen ein solches „Kunstwerk“ gelungen ist. Gleichzeitig vermitteln diese Bilder auch eine erste Ahnung davon, wie hoch gesteckt das Ziel der Connectome-Forschung ist: Gesucht wird die Verschaltung eines jeden Neurons mit jedem anderen Neuron – und das geht weiter über das Corpus callosum hinaus.
Corpus callosum
Balken/Corpus callosum/corpus callosum
Als größte Kommissur (Verbindung im Gehirn) verbindet das Corpus callosum (Balken) die beiden Großhirnhemisphären. Es besteht aus 200-250 Millionen Nervenfasern und dient dem Informationsaustausch.
Diffusions-Tensor-Bildgebung
Diffusions-Tensor-Bildgebung/-/diffusion tensor imaging
Die Diffusions-Tensor-Bildgebung ist eine Form der Magnetresonanztomografie. Mit ihrer Hilfe können Forscher und Mediziner darstellen, wie sich Wasser über die Zeit im Raum verteilt, und so beispielsweise Nervenbahnen im Gehirn rekonstruieren. Bestimmte Veränderungen, wie sie etwa infolge eines Schlaganfalls entstehen, lassen sich mit Diffusions-Tensor-Bildgebung besser erkennen als mit klassischer Magnetresonanztomografie.
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Ausfälle
Wie erwähnt, dienen die Kommissurenfasern zur Übertragung von Impulsen auf die jeweils andere Gehirnhälfte. Im Fall schwerer epileptischer Anfälle ist dies nicht wünschenswert, denn über den Balken kann der Anfall von einer Hemisphäre zur anderen springen. Als quasi letzte Möglichkeit bei Patienten mit besonders schwerer, medikamentös nicht behandelbarer Epilepsie, kann die Entscheidung für eine Callostomie fallen – ein schwerer Eingriff, bei dem der Balken durchtrennt wird. Überraschenderweise zeigen diese so genannten Split-Brain-Patienten im Alltag keinerlei Auffälligkeiten. Unter Medizinern wurde deshalb schon mal scherzhaft gefragt, ob sich die Funktion des Balkens nicht schlicht darauf reduzieren ließe, dass er die beiden Hemisphären zusammenhält.
In den 1960er und 1970er Jahren untersuchten Roger Sperry sowie Michael Gazzaniga und Joseph LeDoux Split-Brain-Patienten genauer. Sie präsentierten den Betroffenen Bilder – allerdings so, dass sie nur für jeweils das linke oder rechte Gesichtsfeld sichtbar waren. Und damit auch nur für die jeweils gegenüberliegende Hemisphäre, denn die Verarbeitung erfolgt immer kontralateral.
Dabei ergaben sich überraschende Befunde: Ein Bild, das im rechten Gesichtsfeld repräsentiert und daher in der linken Hemisphäre verarbeitet wurde, konnten die Probanden korrekt beschreiben. Wurde das Bild jedoch nur das linke Gesichtsfeld präsentiert – und damit rechts verarbeitet –, reagierten die Probanden, als hätten sie das Bild nicht gesehen. Und schon gar nicht konnten sie seinen Inhalt benennen. Allerdings konnten sie den gezeigten Gegenstand, etwa eine Schraube oder eine Schere, mit der linken Hand korrekt ertasten.
Das kleinere Rätsel hier lößt sich relativ schnell: Bei den meisten Rechtshändern liegen die Sprachzentren in der linken Hemisphäre. Wurde die durch das rechte Auge über das Bild „informiert“, konnte sie entsprechend antworten. Der rechten Hemisphäre stand die Spracherzeugung nicht zur Verfügung, sie konnte aber immer den linken Arm bewegen und dessen Tastinformationen verarbeiten. Im normalen Alltag hebt sich diese Trennung auf, da beide Hemisphären visuelle Eindrücke bekommen.
Das größere Rätsel allerdings gehört schon zur großen Frage „Wer bin ich?“ Denn ganz offensichtlich weiß bei Split-Brain Patienten unter diesen Versuchsbedingungen die eine Gehirnhälfte nicht, was die andere weiß. Und handelt quasi autonom. Die weitergehende Forschung zeigte entsprechend beindruckende Ergebnisse in Bezug auf Bewusstsein und kognitive Organisation und Roger Sperry erhielt für seine Forschungen 1981 den Nobelpreis.
Neben diesem sehr bekannten Diskonnektionssyndrom scheint der Balken auch bei anderen Krankheiten eine Rolle zu spielen. So ist er in Fällen von Schizophrenie verkleinert, bei Alzheimer-Patienten zumindest verändert.
Auge
Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb
Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.
Erstveröffentlichung am 22. September 2011
Letztes Update am 1. Juli 2025