„Es gilt, Anreize zu schaffen“

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Motivationspsychologie
Autor: Ulrich Pontes

Ob Steuererklärung, eine Diät oder die Hausaufgaben: Manches muss einfach sein, auch wenn wir nicht die geringste Lust dazu verspüren. Was in solchen Situationen hilft, erklärt die Motivationspsychologin Regina Vollmeyer im Gespräch.

Veröffentlicht: 02.08.2011

Niveau: mittel

Regina Vollmeyer

Regina Vollmeyer, Jahrgang 1962, ist Professorin für Pädagogische Psychologie an der Goethe-Universität Frankfurt und erforscht dort den Zusammenhang von Motivation und Lernen. Wenn sie psychologische Experimente diskutiert oder auswertet, bekommt sie leuchtende Augen, für Tätigkeiten ohne klares Ziel hingegen muss sie sich eher mühsam motivieren. Zusammen mit ihrem Gießener Kollegen Joachim Brunstein ist sie Herausgeberin des Fachbuchs „Motivationspsychologie und ihre Anwendung“.

Motivation

Motivation/-/motivation

Ein Motiv ist ein Beweggrund. Wird dieser wirksam, spürt das Lebewesen Motivation – es strebt danach, sein Bedürfnis zu befriedigen. Zum Beispiel nach Nahrung, Schutz oder Fortpflanzung.


Bei mir steht demnächst mal wieder die Steuererklärung an – ein Berg lästiger Arbeit. Haben Sie einen Tipp, wie ich mich motivieren kann?
Regina Vollmeyer: Da steigen Sie mit dem schwersten Fall ein: einer Arbeit, die Widerwillen hervorruft. Bei solchen aversiven Tätigkeiten muss man sich anstrengen, viel Willen aufbringen. Nötig ist hier eine Unterform von Motivation, die Volition. Aber ich würde lieber erst mal bei den lustvollen Tätigkeiten anfangen.

Gern.
Da gibt es den Fall, dass die Tätigkeit an sich schon Spaß macht. Das hat man besonders bei Hobbys. Etwa, wenn Sie Skifahren gehen. Da braucht man Ihnen gar nichts zu bieten, sondern Sie zahlen sogar Geld dafür. Das ist, was man landläufig unter Motivation versteht: Wenn die Augen glänzen, man die Zeit vergisst und gar nicht bemerkt, dass man sich anstrengt. Hier spricht man von intrinsischer Motivation, also Motivation, die von innen heraus kommt. Das, worauf jeder Lehrer bei seinen Schülern hofft!

Wahrscheinlich oft vergeblich. Oder kann man etwas dafür tun?
Gerade in der Schule oder im Beruf macht man ja vieles, weil man dazu aufgefordert wird. Das ist extrinsische Motivation: Man hat keine leuchtenden Augen, aber auch keinen Widerwillen. Damit auch hier Spaß oder Lust entstehen kann, gilt es, Anreize zu schaffen. Sie gehen schließlich lieber arbeiten, wenn Sie mehr Geld verdienen – oder vielleicht auch, wenn Sie immer wieder mit neuen Themen oder interessanten Leuten in Berührung kommen.

Wenn der Job oder das, was mich heute am Arbeitsplatz erwartet, aber nun mal langweilig ist? Man kann ja nicht immer gleich eine Gehaltserhöhung erwarten oder kündigen …
Dann muss man eben andere Aspekte betonen. Vielleicht kann man sich auf die Kollegen freuen. Oder beim Thema Schule klar machen, wozu das Gelernte gut ist. Aber es ist schwierig, dafür allgemeine Rezepte anzugeben, weil es sehr von den individuellen Vorlieben abhängt. Man muss sich beziehungsweise den Anderen gut kennen, um eine motivierende Perspektive zu entwickeln.

Das klingt mühsam. Sollte man da nicht besser zu Belohnungen greifen und etwa dem Kind fürs Vokabellernen ein Eis versprechen?
Ob Belohnung hilft, wird kontrovers diskutiert. Ende der 70er Jahre hat man den Korrumpierungseffekt entdeckt: Man hat Kinder, die ja eigentlich gerne malen, dafür jedes Mal belohnt. Nachdem man aber die Belohnung wieder abgesetzt hat, haben sie beim Malen viel schneller die Lust verloren als Kinder aus einer Kontrollgruppe. Daraus hat man geschlossen, dass die Motivation korrumpiert war: Die Kinder haben nur noch um der Belohnung willen gemalt. Daraufhin gab es sehr viele weitere Studien. Man hat herausgefunden, dass der Effekt vor allem bei Kindern und bei interessanten Tätigkeiten auftritt. Das heißt, wenn jemand Vokabellernen als furchtbar empfindet, könnte eine Belohnung helfen. Der Korrumpierungseffekt dürfte dann kaum eine Rolle spielen.

Klingt logisch: Wo keine intrinsische Motivation vorhanden ist, kann man sie auch nicht kaputt machen.
Genau. Was aber übrigens nie schadet, ist ein Lob – vor allem dann, wenn es aus Überzeugung ausgesprochen wird und eine Rückmeldung über die Kompetenz darstellt. Also statt: „Das ist aber ein schöner Aufsatz“ lieber ganz konkret werden, zum Beispiel: „Die eine Szene hast du so lebendig beschrieben, ich konnte mich direkt hineinversetzen.“

Mit Aufsätzen sind wir jetzt aber schon fast wieder bei der Steuererklärung, jedenfalls für meinen Geschmack. Sie haben gesagt, dass aversive Tätigkeiten Volition erfordern, also eine Willensanstrengung. Kann man sie sich trotzdem irgendwie erleichtern?
Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten. Ganz wichtig, um auf der Spur zu bleiben, sind Aufmerksamkeits– und Umweltkontrolle: Wenn man Vokabeln lernen muss, obwohl man es hasst, sollte man alles tun, um Ablenkungen zu vermeiden. Etwa Telefon und Computer ausschalten und auch nicht zum Fenster herausschauen, vor allem wenn draußen die Sonne scheint. Und dann muss man sich wirklich in die Tätigkeit zwingen. Dazu gehört, nahe und konkrete Ziele zu formulieren. Zum Thema Steuererklärung sollten Sie sich also nicht sagen: „Ich muss das bis nächsten Monat machen“, sondern: „Am Montag um 8 Uhr setze ich mich hin und beginne, meine Belege zu sortieren.“ Natürlich müssen die Ziele auch realistisch sein, sonst erlebt man Misserfolge – das wäre ein Motivationskiller.

Was ist noch wichtig?
Schlecht wäre, zu lange hin– und her zu überlegen und an bereits festgelegten Zielen wieder zu zweifeln. Und emotional sollte man sich möglichst in einen positiven Zustand versetzen. Also nicht den Widerwillen oder die Wut auf den Staat kultivieren, sondern zum Beispiel sagen: „Wenn ich die Steuererklärung fertig habe, kann ich stolz auf mich sein und mich auf die Rückzahlung freuen.“ Vielleicht hilft auch ein Glas Wein, das man nebenher trinkt. Und schließlich ist auch hier die Motivationskontrolle eine Möglichkeit, also sich Anreize zu schaffen, vielleicht auch durch Belohnung.

Nun haben wir über lustvolle, fremdbestimmte und verhasste Tätigkeiten geredet. Worunter fallen eigentlich gute Vorsätze? Da ist man ja eigentlich schon zu etwas motiviert, und trotzdem fällt es meist unendlich schwer …
Das gehört auch in den aversiven Bereich. Wenn Sie zum Beispiel abnehmen oder regelmäßig Sport treiben wollen, sind Sie zwar in Hinblick auf das Ziel motiviert – aber Sie müssen dafür ja immer auch auf etwas verzichten, ob nun aufs Essen oder auf den faulen Abend vor dem Fernseher. Auch hier brauchen Sie also Volition und klare Ziele.

Trotzdem bleiben vielleicht Rückschläge nicht aus. Wie lässt sich verhindern, dass die Motivation dann gleich auf der Strecke bleibt?
Die Psychologie unterscheidet Lage– und Handlungsorientierung. Falsch wäre, bei dem Misserfolg zu verharren und zu sagen: Ich bin eben unfähig. Statt über die Lage zu grübeln und auf sich zu schimpfen, sollte man sich neu ans Handeln machen und sagen: „Das ging schief, aber nächsten Montag fange ich neu an und schaffe das!“ Wenn man dann merkt, man schafft es nicht alleine, kann man sich auch Hilfe holen und für extrinsische Kontrolle sorgen. Also zum Beispiel jemanden bitten: „Frag mich doch mal am Montagabend, ob ich tatsächlich angefangen habe.“ Es sollte nur nicht unbedingt der beste Freund sein, denn das könnte Ärger geben.

Volition

Volition/-/volition

Dieser Begriff der Psychologie beschreibt den kognitiven Prozess, in dem ein Individuum sich für eine Handlung entscheidet und sie ausführt. Grob gesagt könnte man Volition auch mit dem Willen gleichsetzen.

Motivation

Motivation/-/motivation

Ein Motiv ist ein Beweggrund. Wird dieser wirksam, spürt das Lebewesen Motivation – es strebt danach, sein Bedürfnis zu befriedigen. Zum Beispiel nach Nahrung, Schutz oder Fortpflanzung.

Auge

Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb

Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.

Geschmack

Geschmack/-/flavor

Der Sinneseindruck, den wir als „Geschmack“ bezeichnen, ergibt sich aus dem Zusammenspiel zwischen Geruchs– und Geschmackssinn. Sinnesphysiologisch ist „Geschmack“ jedoch auf den Eindruck begrenzt, den uns die Geschmacksrezeptoren auf der Zunge und in den umgebenden Schleimhäuten zuführen. Aktuell geht man davon aus, dass es fünf verschiedene Sorten von Geschmacksrezeptoren gibt, die auf die Geschmacksqualitäten süß, sauer, salzig, bitter und umami spezialisiert sind. 2005 haben Wissenschaftler zudem einen möglichen Geschmacksrezeptor für Fett identifiziert.

Emotionen

Emotionen/-/emotions

Unter „Emotionen“ verstehen Neurowissenschaftler psychische Prozesse, die durch äußere Reize ausgelöst werden und eine Handlungsbereitschaft zur Folge haben. Emotionen entstehen im limbischen System, einem stammesgeschichtlich alten Teil des Gehirns. Der Psychologe Paul Ekman hat sechs kulturübergreifende Basisemotionen definiert, die sich in charakteristischen Gesichtsausdrücken widerspiegeln: Freude, Ärger, Angst, Überraschung, Trauer und Ekel.

zum Weiterlesen:

  • Regina Vollmeyer, Goethe Universität Frankfurt a.M., Institut für Psychologie; [Stand: 29.08.2014]; zur Webseite .

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