Wie das Gehirn Rhythmus im Gedächtnis nutzt

Ein Forschungs-Team des Universitätsklinikums Bonn (UKB), der Universität Bonn und des Universitätsklinikums Freiburg hat neue Erkenntnisse über die Gehirnprozesse gewonnen, die sich beim Speichern und Abrufen neuer Gedächtnisinhalte abspielen. Die Studie basiert auf der Messung einzelner Nervenzellen bei von Epilepsie betroffenen Personen und zeigt, wie diese einem inneren Rhythmus folgen. Die Arbeit ist jetzt in dem Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht.
Veröffentlicht: 13.08.2025
„Ähnlich wie die Mitglieder in einem Orchester, die sich an einem gemeinsamen Takt orientieren, ist die Aktivität der Nervenzellen offenbar mit elektrischen Schwingungen – ein- bis zehnmal pro Sekunde – im Gehirn verknüpft. Dabei feuern die Zellen bevorzugt zu bestimmten Zeitpunkten innerhalb dieser Hirnwellen, ein Phänomen namens Theta-Phasenbindung“, sagt Erstautor und Postdoktorand der Universität Bonn Dr. Tim Guth, der kürzlich vom Universitätsklinikum Freiburg zur Arbeitsgruppe „Kognitive und Translationale Neurowissenschaften“ am UKB gewechselt ist.
Das Forschungsteam um Tim Guth und Lukas Kunz fand heraus, dass das Zusammenspiel von Nervenzellen und Hirnwellen sowohl beim Merken als auch beim Erinnern neuer Informationen aktiv ist – und zwar im medialen Schläfenlappen, einem zentralen Bereich für das menschliche Gedächtnis. In der durchgeführten Studie zum räumlichen Gedächtnis war die Stärke der Theta-Phasenbindung der Nervenzellen während der Gedächtnisbildung jedoch unabhängig davon, ob sich die Testpersonen später korrekt an die Gedächtnisinhalte erinnern konnten oder nicht. „Dies legt nahe, dass die Theta-Phasenbindung zwar ein generelles Phänomen des menschlichen Gedächtnissystems ist, jedoch nicht allein über das erfolgreiche Erinnern entscheidet“, sagt Korrespondenzautor Prof. Dr. Lukas Kunz, Leiter der Arbeitsgruppe „Kognitive und Translationale Neurowissenschaften“ an der Klinik für Epileptologie am UKB und Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Universität Bonn.
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
Gedächtnis
Gedächtnis/-/memory
Gedächtnis ist ein Oberbegriff für alle Arten von Informationsspeicherung im Organismus. Dazu gehören neben dem reinen Behalten auch die Aufnahme der Information, deren Ordnung und der Abruf.
Interaktion von Nervenzellen und elektrischen Signalen
Während die meisten Nervenzellen immer um den gleichen Schwingungszeitpunkt feuerten, wechselten manche Nervenzellen spannenderweise ihren bevorzugten Taktzeitpunkt zwischen Lernen und Erinnern. „Dies unterstützt die Theorie, dass unser Gehirn Lern- und Abrufprozesse innerhalb einer Hirnwelle voneinander trennen kann, ähnlich wie Mitglieder eines Orchesters, die zu verschiedenen Taktzeitpunkten eines Musikstücks einsetzen“, sagt Guth. Die Studie liefert neue Hinweise darauf, wie Nervenzellen und elektrische Signale im Gehirn zusammenwirken, während sich neue Erinnerungen formen. Prof. Kunz zieht folgendes Fazit: „Ein besseres Verständnis dieser Prozesse könnte langfristig dabei helfen, Gedächtnisstörungen besser zu verstehen und gezielter zu behandeln.“
Das Forschungsteam konnte das Zusammenspiel von Nervenzellen und Hirnwellen während des Gedächtnisprozesses im Rahmen der Studie beobachten, indem es eine Besonderheit der Therapie von Epilepsie nutzte. Menschen mit besonders schwer behandelbarer Epilepsie werden zur Diagnostik Elektroden im Gehirn implantiert. Damit soll der Ursprung der epileptischen Anfälle genau bestimmt werden, um bessere chirurgische Ergebnisse zu erzielen. Unter Verwendung dieser implantierten Elektroden kann aber auch die menschliche Gehirnaktivität von einzelnen Zellen aufgezeichnet werden. Die Forschenden nutzten Messungen, die am Universitätsklinikum Freiburg durchgeführt wurden, und danken allen Betroffenen, die an dieser Studie teilgenommen haben.
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
Originalpublikation
Guth et al.: Theta-phase locking of single neurons during human spatial memory; Nature Communications; DOI: 10.1038/s41467-025-62553-9
https://www.nature.com/articles/s41467-025-62553-9