Teamwork im Innenohr – unser Hören baut auf organisierte Gruppierung von Proteinen

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3D-MINFLUX-Bild: Jeder farbige „Punkt“ ist eine Anordnung von Botenstoffrezeptoren (Nanocluster) die zusammen eine ringförmige Struktur auf den Hörnervenzellen bilden.

Forschenden am Göttingen Campus ist es erstmals gelungen, die winzigen Synapsen im Innenohr – die Kontaktstellen zwischen den Haarsinneszellen und den Hörnervenzellen – auf molekularer Ebene zu untersuchen. Sie konnten zeigen, dass sich Ionenkanäle und weitere synaptische Proteine, die für das Hören essentiell sind, in spezifischen Mustern organisieren. Diese Anordnung sorgt für eine optimierte Weiterleitung der Hörinformationen an das Gehirn. Diese Erkenntnisse könnten dazu beitragen, Therapien für Hörstörungen mit synaptischer Ursache zu entwickeln. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Science Advances“ erschienen.

Quelle: Exzellenzcluster Multiscale Bioimaging, Universitätsmedizin Göttingen

Veröffentlicht: 06.11.2025

Hören basiert auf der Umwandlung von Schall in Nervensignale. Die Schall-bedingten Schwingungen werden im Innenohr in Nervenimpulse umgewandelt, die über den Hörnerv ans Gehirn weitergeleitet und dort als Geräusche, Sprache oder Töne interpretiert werden. Die zentrale Schaltstelle dieses Vorgangs sind die Synapsen – die Kontaktstellen zwischen den Haarsinneszellen und den Hörnervenzellen.  Werden die Haarsinneszellen durch Schall gereizt, öffnen sich Kalziumkanäle in der Zellmembran und Kalzium strömt ein. Dies führt zur Freisetzung eines Botenstoffes, der die Rezeptoren auf den gegenüberliegenden Hörnervenzellen aktiviert, wodurch sich ein Nervenimpuls bildet. 

Göttinger Wissenschaftler*innen unter Federführung der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben erstmals die winzige Struktur von Synapsen in den inneren Haarsinneszellen untersuchen können. Mit der von Prof. Dr. Stefan Hell und Kollegen am Göttingen Campus entwickelten dreidimensionalen (3D)-MINFLUX-Nanoskopie konnten Details im Bereich weniger Nanometer, also millionstel Millimeter, sichtbar gemacht werden. Durch eine Optimierung der Probenaufbereitung konnten die Forschenden mit dieser Methode zeigen, dass sich Kalziumkanäle und bestimmte Strukturproteine in den Haarzellen in kleinen Gruppen organisieren. Diese Gruppen, auch Nanocluster genannt, ordnen sich in Form von Streifen an. Der Botenstoff wird in winzigen Membranbläschen gelagert, die von den Wissenschaftler*innen erstmals mit MINFLUX an der Synapse dargestellt werden konnten. Nach der Freisetzung in den Spalt zwischen Haarsinneszelle und Hörnervenzelle bindet der Botenstoff an die Rezeptoren der gegenüberliegenden Hörnervenzelle, die in der Form eines Ringes angeordnet sind. Diese ringförmige Formation erlaubt offenbar ein optimales Aufspüren des freigesetzten Botenstoffes. Mit biophysikalischen Simulationen konnten die Forschenden nachweisen, dass diese Nanocluster-Anordnung eine hohe Effizienz der Botenstofffreisetzung ermöglicht.

„Die organisierte Anordnung der Kalziumkanäle erhöht die Wahrscheinlichkeit der Botenstofffreisetzung. Diese Nanocluster erlauben uns offenbar, Geräusche präzise und schnell wahrnehmen zu können“, sagt Prof. Dr. Tobias Moser, Direktor des Instituts für Auditorische Neurowissenschaften der UMG, Sprecher des Exzellenzclusters „Multiscale Bioimaging: Von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen“ (MBExC) und Sprecher des Sonderforschungsbereichs 1690 „Krankheitsmechanismen und funktionelle Wiederherstellung von sensorischen und motorischen Systemen“. „Diese Arbeit liefert die fehlende molekulare Landkarte der Haarzell-Synapse und erklärt, warum sie unser schnellstes und präzisestes Sinnessystem antreibt“, so Prof. Moser. 

Hörnerv

Hörnerv/Nervus cochlearis/auditory nerve

Die Haarzellen des Corti-​Organs erregen Neurone des Spiralganglions, das im Hohlraum der Hörschnecke liegt. Deren Axone bilden den Hörnerv, der die elektrischen Impulse vom Innenohr ins Gehirn leitet. Gemeinsam mit dem Gleichgewichtsnerv (Nervus vestibularis) bildet der Hörnerv den VIII. Hirnnerv.

Synapse

Synapse/-/synapse

Eine Synapse ist eine Verbindung zwischen zwei Neuronen und dient deren Kommunikation. Sie besteht aus einem präsynaptischen Bereich – dem Endknöpfchen des Senderneurons – und einem postsynaptischen Bereich – dem Bereich des Empfängerneurons mit seinen Rezeptoren. Dazwischen liegt der sogenannte synaptische Spalt.

Rezeptor

Rezeptor/-/receptor

Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.

Haarzellen

Haarzellen/-/hair cells

Sinneszellen des Innenohres, die sich im Corti-​Organ und in den Bogengängen befinden. Die Haarzellen sind für die Transduktion (Umwandlung) der Schwingungen in elektrische Potentiale zuständig. Jede dieser Sinneszellen besitzt ca. 100 unterschiedliche lange, haarähnliche Ausstülpungen, die Stereozilien. Diese sind miteinander verbunden. Die Bewegung dieser Stereozilien durch die Schwingungen ist der eigentliche Schlüssel in der Signaltransduktion der Haarsinneszellen.

Synapse

Synapse/-/synapse

Eine Synapse ist eine Verbindung zwischen zwei Neuronen und dient deren Kommunikation. Sie besteht aus einem präsynaptischen Bereich – dem Endknöpfchen des Senderneurons – und einem postsynaptischen Bereich – dem Bereich des Empfängerneurons mit seinen Rezeptoren. Dazwischen liegt der sogenannte synaptische Spalt.

Originalpublikation

Rohan Kapoor, Hyojin Kim, Evelyn Garlick, Maria Augusta do R. B. F. Lima, Klara Esch, Torben Ruhwedel, Wiebke Möbius, Fred Wolf, Tobias Moser. Charting the nanotopography of inner hair cell synapses using MINFLUX nanoscopy. Science Advances (2025). DOI:  10.1126/sciadv.ady4344  

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