Zusammenspiel von Interneuronen stabilisiert Gamma-Oszillationen im Gehirn

Im Rahmen der neuronalen Kommunikation haben Gamma-Oszillationen einen Einfluss darauf, wie Reize innerhalb der Hirnstrukturen zu synchronisiert, weitergeleitet und codiert werden. Diese Hirnstromwellen entstehen durch eine aggregierte Aktivität von Nervenzellen und bewegen sich im höchsten in der EEG-Messung erfassten Frequenzband von 30 Hz und mehr. Ihre Aktivität lässt sich insbesondere bei verstärkten kognitiven Prozessen im Bereich des Hippocampus sowie des Kortex nachweisen, Gehirnregionen, die für das Gedächtnis besonders relevant sind und in denen zum Beispiel Aufmerksamkeitszustände gesteuert werden.
Veröffentlicht: 26.05.2025
Bekannt ist, dass die Erzeugung von Gamma-Oszillationen von einer Interaktion zwischen Erregung und Hemmung exzitatorischer und inhibitorischer Neuronen abhängt. Doch die Rolle spezifischer Interneuronen war dabei bis dato unklar. Forschende des Ernst Strüngmann Instituts haben nun unter der Leitung von Prof. Martin Vinck untersucht, wie zwei Arten von Gehirnzellen, konkret Parvalbumin- (PV+) und Somatostasin-Interneuronen (Sst+), bei der Erzeugung visuell induzierter Gamma-Oszillationen zusammenwirken. Die Forschenden fanden dabei heraus, dass die PV+ Zellen quasi die „Dirigenten“ dieses Gamma-oszillären Rhythmus sind, die früh und mit großer Präzision feuern, um das Netzwerk synchron zu halten. Sst+-Zellen hingegen entfalten ihre Aktivität später und sorgen für feinere Anpassungen, die zur Stabilisierung der Oszillationen beitragen. Die Forschenden schlagen somit vor, dass PV+- und Sst+-Interneurone die Erregbarkeit somatischer und dendritischer Nervenkompartimente mit präzisen Zeitverzögerungen steuern könnten, die durch Gamma-Oszillationen koordiniert werden. Die Berücksichtigung der Morphologie exzitatorischer Neuronen legt damit dann auch ein auch ein erweitertes Gamma-Modell nahe, das über das klassische PING-Modell hinausgeht. Auf Grundlage dieser Ergebnisse konnten die Forschenden ein neues Computer-Modell entwickeln, das mithilfe seiner Berechnungen grundlegende Einblicke in die Art und Weise liefert, wie inhibitorische Neuronen die Stabilität und Oszillationen in jedem kortikalen Schaltkreis regulieren.
Diese Erkenntnisse bieten möglicherweise relevante Anknüpfungspunkte für das tiefere Verständnis der Genese der Alzheimer-Demenz oder Formen von Schizophrenie. Bereits jetzt dient der Rhythmus von Gamma-Oszillationen hier als Marker für Erkrankungen, die mit dysfunktionalen Interaktionen zwischen neuronaler Erregung und Hemmung verbunden sind, so dass das die Diagnostik mithilfe dieser Erkenntnisse perspektivisch weiter verbessert werden könnte.
Gleichzeitig könnte das Verständnis der spezifischen chronologischen Funktionen von PV+- und Sst+-Interneuronen therapeutische Strategien leiten, die darauf abzielen, instabile Gamma-Oszillationsmuster durch Neuromodulation oder pharmakologische Steuerung dieser Interneuronen-Subtypen wiederherzustellen.
Hemmung
Hemmung/-/inhibition
Die neuronale Inhibition, oder auch Hemmung umschreibt das Phänomen, dass ein Senderneuron einen Impuls zum Empfängerneuron sendet, der bei diesem dazu führt, dass seine Aktivität herabgesetzt wird. Der wichtigste hemmende Botenstoff ist GABA.
Neuron
Neuron/-/neuron
Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.
Originalpublikation
Onorato I, Tzanou A, Schneider M, Uran C, Broggini AC, Vinck M (2025). Distinct roles of PV and Sst interneurons in visually induced gamma oscillations. Cell Reports, Volume 44, Issue 3, 25 March 2025, 115385 https://doi.org/10.1016/j.celrep.2025.115385