Schädigende Immunzellen bei Bluthochdruck

© Maria P. Kotini, University of Basel
Interaktionen zwischen Makrophagen/Mikroglia und Hirngefäßen führen zu Gefäßrückbildung und Zelltod im Gehirn. Das Bild zeigt das Gehirn eines Zebrafisches mit Makrophagen/Mikroglia in grün und Blutgefäßen in rot.

Bluthochdruck schädigt Herz, Gehirn und Blutgefäße. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Immunsystem, schreibt Suphansa Sawamiphak vom Max Delbrück Center im Fachjournal „Cardiovascular Research“. Bei Zebrafischen bewirken Entzündungen, dass Makrophagen, Blutgefäße nicht schützen, sondern sie angreifen.

Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin

Veröffentlicht: 24.02.2023

Bluthochdruck steht ganz oben auf der Rangliste der chronischen Gesundheitsprobleme: Rund ein Drittel der Weltbevölkerung ist betroffen, in Deutschland sogar knapp 44 Prozent der Bürgerinnen und Bürger. Ist der Druck in den Blutgefäßen erhöht, leiden die Organe des Körpers, allen voran, das Gehirn, das Herz und die Gefäße. Das steigert nicht nur das Risiko für schwerwiegende Herzkreislauferkrankungen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt. Herz, Hirn und Gefäße sind im gesunden Körper auch maßgeblich daran beteiligt, den Blutdruck zu regulieren. Nehmen sie durch dauerhaften Bluthochdruck Schaden, verlieren sie diese Fähigkeit – ein Teufelskreis.

Damit der Blutdruck wieder sinkt, sollten Betroffene zuerst ihren Lebensstil umstellen: sich ausgewogen und salzarm ernähren, regelmäßig Sport treiben und aufs Rauchen verzichten. Auch verschiedene Medikamente wie Beta-Blocker oder ACE-Hemmer können helfen: „Herkömmliche Medikamente können zwar den Blutdruck senken, bei den vielen Betroffenen erreicht man damit aber nicht die erhoffte Schutzwirkung für die Organe“, sagt Dr. Suphansa Sawamiphak, Leiterin der Arbeitsgruppe „Kardiovaskulär-Hämatopoetische Interaktionen“ am Max Delbrück Center. Das werde im Gehirn besonders deutlich, wo bei Bluthochdruck feine Blutgefäße durchlässig werden oder absterben. „Demnach muss es im Gesamtgeschehen noch weitere Schaltstellen geben, die wir mit konventionellen Wirkstoffen nicht erreichen.“

Schon länger ist bekannt, dass Bestandteile des Immunsystems hier eine Rolle spielen könnten. Entzündungsreaktionen im Körper tragen zum Bluthochdruck bei und ziehen Organe in Mitleidenschaft. Wie das im Detail abläuft, ist bislang nicht bekannt.

Schlaganfall

Schlaganfall/Apoplexia cerebri/stroke

Bei einem Schlaganfall werden das Gehirn oder Teile davon zeitweilig nicht mehr richtig mit Blut versorgt. Dadurch kommt es zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff und dem Energieträger Glukose. Häufigster Auslöser des Schlafanfalls ist eine Verengung der Arterien. Zu den häufigsten Symptomen zählen plötzliche Sehstörungen, Schwindel sowie Lähmungserscheinungen. Als Langzeitfolgen können verschiedene Arten von Gefühls– und Bewegungsstörungen auftreten. In Deutschland ging 2006 jeder dritte Todesfall auf einen Schlaganfall zurück.

Immunzellen schädigen Blutgefäße im Zebrafisch-Gehirn

Um den verantwortlichen biologischen Mechanismen auf den Grund zu gehen, untersuchte Sawamiphak zusammen mit ihrem Team am Max Delbrück Center und Kolleg*innen aus Italien und der Schweiz Larven des Zebrafisches. „Das ist ein sehr gutes Modellsystem für viele Fragestellungen, weil wir die Tiere durch Veränderung der Umgebung leicht manipulieren können“, sagt die Biologin und erklärt weiter: „Weil junge Zebrafische durchsichtig sind, können wir die Auswirkungen am lebenden Tier beobachten.“

Um nun die Rolle des Immunsystems bei Bluthochdruck zu analysieren, haben die Forschenden Zebrafischlarven im Wasser mit niedriger Ionenkonzentration aufgezogen. Dadurch entsteht bei den Tieren ein Ionenungleichgewicht im Körper, das vergleichbar ist mit übermäßigem Salzkonsum beim Menschen und das zu Bluthochdruck führt. Anschließend haben sie untersucht, welche Auswirkungen dies auf die Blutgefäße im Gehirn hat.

Nach den Beobachtungen der Forschenden führt Bluthochdruck zu mehr Makrophagen und Mikroglia, spezielle Immunzellen des Gehirns, die vermehrt auf Gefäßoberflächen treffen können. Sie treten dort mit dem Endothel in Kontakt, der Zellschicht, die die Blutgefäße von innen auskleiden, und schwächen die Gefäßwände zunehmend. Auch die Blut-Hirn-Schranke, die das Gehirn vor schädlichen Substanzen und Krankheitserregern schützt, nimmt Schaden. „Das Interessante ist, dass Makrophagen und Mikroglia bei gesundem Blutdruck normalerweise die Gefäße schützen“, sagt Sawamiphak. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Makrophagen beziehungsweise Mikroglia bei Bluthochdruck regelrecht umprogrammiert werden.“

Mikroglia

Mikroglia/-/microglia

Der kleinste Typ der Gliazellen ist Teil des zellulären Immunsystems und unter anderem zuständig für die Entfernung abgestorbener Neurone. Mikroglia können sich amöbenartig fortbewegen.

Blockiert man den Botenstoff, treten keine Organschäden auf

Eine wichtige Rolle spielen dabei Entzündungsbotenstoffe wie IFN-Gamma, die unter Bluthochdruckbedingungen vermehrt ausgeschüttet werden. Um diesen Zusammenhang experimentell zu untermauern, schalteten sie das Gen für einen Rezeptor aus, an den IFN-Gamma normalerweise bindet. Bei diesen Fischen hinterließ der Bluthochdruck keine Schäden in Blutgefäßen und Bluthirnschranke. Auch bei Mäusen gelang dem Team der Nachweis, dass Wirkstoffe, die IFN-Gamma hemmen, typische Begleiterscheinungen von Bluthochdruck – darunter Schäden der Blut-Hirn-Schranke, Abbau der Blutgefäße im Gehirn sowie kognitive Defizite – verhindern können.

„Unsere Ergebnisse eröffnen eine völlig neue Perspektive auf die Rolle von Entzündungsvorgängen bei der Entstehung von Bluthochdruck“, unterstreicht Sawamiphak die Bedeutung ihrer Arbeit. Nun gelte es, die beteiligten Immunzellen und Immunmodulatoren genauer zu charakterisieren und ihre Rolle bei höheren Tieren bis hin zum Menschen zu überprüfen. Sollte sich dies bestätigen, hätte das Team mit dieser Studie neue Angriffspunkte für die Therapie bei Bluthochdruck gefunden. Davon würden insbesondere Betroffene profitieren, bei denen herkömmliche Wirkstoffe nicht vor zunehmenden Organschäden zu schützen vermögen.

Gen

Gen/-/gene

Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.

Rezeptor

Rezeptor/-/receptor

Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.

Originalpublikation

Dilem C Apaydin, Bhakti I Zakarauskas-Seth et al. (2023): “Interferon-γ drives macrophage reprogramming, cerebrovascular remodeling, and cognitive dysfunction in a zebrafish and a mouse model of ion imbalance and pressure overload.”; Cardiovascular Research; doi: 10.1093/cvr/cvac188

No votes have been submitted yet.

Lizenzbestimmungen

Dieser Inhalt ist unter folgenden Nutzungsbedingungen verfügbar.

BY-NC-SA: Namensnennung, nicht kommerziell, Weitergabe unter gleichen Bedingungen