Matrix Remodeled: Der Einfluss der Zellumgebung auf das Sehvermögen

© RUB, Marquard
Unter dem Mikroskop untersuchen die Forschenden Gewebeschnitte der Netzhaut.

Die Verarbeitung von visuellen Informationen beginnt mit einer zielgerichteten und balancierten Kommunikation zwischen Nervenzellen in der Netzhaut über Synapsen. Proteine in der Umgebung von Nervenzellen spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung, Reifung und Funktion dieser Synapsen. Ein Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum konnte gemeinsam mit weiteren Arbeitsgruppen zeigen, dass der kombinierte Verlust von vier Proteinen zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Funktion der Netzhaut, einer verminderten visuellen Bewegungsverarbeitung sowie deutlichen synaptischen Veränderungen führt.

Quelle: Ruhr-Universität Bochum

Veröffentlicht: 05.02.2024

Im Fokus der Untersuchungen des Forschungsteams standen die vier extrazellulären Matrixproteine Brevican, Neurocan, Tenascin-C und Tenascin-R, die in der Zellumgebung von Nervenzellen der Netzhaut vorkommen. „Ihre genaue Aufgabe in der Netzhaut war bislang noch nicht hinreichend untersucht“, erklärt Jacqueline Reinhard-Recht. Die Forschenden untersuchten daher die Sehfunktion von sogenannten Knockout-Mäusen, die genetisch so verändert waren, dass ihr Körper die vier Proteine nicht herstellen konnte.

Durch Elektroretinogramm-Analysen konnte das Forschungsteam zeigen, dass Stäbchen-Fotorezeptoren und Bipolarzellen in den Knockout-Mäusen funktionelle Defizite in der visuellen Verarbeitung aufweisen. „Interessanterweise konnten wir bei den Knockout-Mäusen zusätzlich deutliche Einschränkungen in der visuellen Bewegungsverarbeitung im Vergleich zu Kontrolltieren feststellen“, so Jacqueline Reinhard-Recht. Mäuse, denen nur die Proteine Tenascin-C oder Tenascin-R fehlen, zeigen zwar ebenfalls Einbußen in der visuellen Bewegungsverarbeitung, allerdings deutlich schwächere. „Dies zeigt, dass der kumulative Verlust von vier Matrixproteinen die optomotorischen Einschränkungen verstärkt“, sagt die Forscherin.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Netzhaut

Netzhaut/Retina/retina

Die Netzhaut oder Retina ist die innere mit Pigmentepithel besetzte Augenhaut. Die Retina zeichnet sich durch eine inverse (umgekehrte) Anordnung aus: Licht muss erst mehrere Schichten durchdringen, bevor es auf die Fotorezeptoren (Zapfen und Stäbchen) trifft. Die Signale der Fotorezeptoren werden über den Sehnerv in verarbeitende Areale des Gehirns weitergeleitet. Grund für die inverse Anordnung ist die entwicklungsgeschichtliche Entstehung der Netzhaut, es handelt sich um eine Ausstülpung des Gehirns.
Die Netzhaut ist ca 0,2 bis 0,5 mm dick.

Gen

Gen/-/gene

Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.

Bipolarzellen

Bipolarzelle/-/bipolar cell

Die Bipolarzelle ist ein bipolares Neuron, also ein Neuron mit einem Axon und einem Dendriten das in der mittleren Schicht der Netzhaut liegt. Es übermittelt die sensorische Information von den Photorezeptoren zu den Ganglienzellen.

Matrix-Remodellierung und Ungleichgewicht in der synaptischen Signalisierung

Untersuchungen der Netzhaut der Knockout-Mäuse belegten außerdem Veränderungen verschiedener Matrixmoleküle und Synapsen. „Insbesondere zeigte sich ein Ungleichgewicht von hemmenden und erregenden Synapsen“, so Jacqueline Reinhard-Recht. „Insgesamt weisen die Forschungsdaten darauf hin, dass die vier Matrixproteine Brevican, Neurocan, Tenascin-C und Tenascin-R wichtige Modulatoren der synaptischen Signalisierung in der Netzhaut sind.“

Die Forschungsergebnisse tragen dazu bei, die komplexen molekularen Mechanismen der visuellen Verarbeitung deutlich besser zu verstehen. Zukünftig könnten diese Erkenntnisse neue Ansätze für die Entwicklung therapeutischer Interventionen bei Störungen der Sehfunktion von Patientinnen und Patienten bieten.

Netzhaut

Netzhaut/Retina/retina

Die Netzhaut oder Retina ist die innere mit Pigmentepithel besetzte Augenhaut. Die Retina zeichnet sich durch eine inverse (umgekehrte) Anordnung aus: Licht muss erst mehrere Schichten durchdringen, bevor es auf die Fotorezeptoren (Zapfen und Stäbchen) trifft. Die Signale der Fotorezeptoren werden über den Sehnerv in verarbeitende Areale des Gehirns weitergeleitet. Grund für die inverse Anordnung ist die entwicklungsgeschichtliche Entstehung der Netzhaut, es handelt sich um eine Ausstülpung des Gehirns.
Die Netzhaut ist ca 0,2 bis 0,5 mm dick.

Synapse

Synapse/-/synapse

Eine Synapse ist eine Verbindung zwischen zwei Neuronen und dient deren Kommunikation. Sie besteht aus einem präsynaptischen Bereich – dem Endknöpfchen des Senderneurons – und einem postsynaptischen Bereich – dem Bereich des Empfängerneurons mit seinen Rezeptoren. Dazwischen liegt der sogenannte synaptische Spalt.

Originalpublikation

Jacqueline Reinhard et al.: Neural Extracellular Matrix Regulates Visual Sensory Motor Integration, in: iScience, 2024, DOI: 10.1016/j.isci.2024.108846, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2589004224000671

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