Aktive Nervenfasern im Gehirn werden dynamisch mit Energie versorgt

© Zoe Looser und Aiman Saab / Universität Zürich
Querschnitt von Nervenfasern des Sehnervs der Maus

Spezialisierte Zellen namens Oligodendrozyten reagieren auf die Aktivität der Hirnzellen und versorgen die langen Nervenverbindungen bedarfsgerecht mit Energie, wie UZH-Forschende zeigen. Wird bei Mäusen diese zelluläre Kommunikation unterbrochen, treten mit fortschreitendem Alter Schäden an den Nervenfasern auf, die jenen bei neurodegenerativen Erkrankungen ähneln.

Quelle: Universität Zürich

Veröffentlicht: 31.01.2024

Die Gehirnfunktion ist abhängig von der schnellen Weiterleitung elektrischer Signale entlang der Axone. Diese langen Ausläufer der Nervenzellen verbinden Milliarden von Hirnzellen miteinander. Um eine schnelle und effiziente Signalübertragung zu gewährleisten, werden die Axone von speziellen Zellen umhüllt und isoliert: den Oligodendrozyten.

Axon

Axon/-/axon

Das Axon ist der Fortsatz der Nervenzelle, der für die Weiterleitung eines Nervenimpulses zur nächsten Zelle zuständig ist. Ein Axon kann sich vielfach verzweigen, und so eine Vielzahl nachgeschalteter Nervenzellen erreichen. Seine Länge kann mehr als einen Meter betragen. Das Axon endet in einer oder mehreren Synapse(n).

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Oligodendrozyten

Oligodendrozyten/-/oligodendrocytes

Zellen des Zentralen Nervensystems, die die Myelinscheide um die Nervenzellen bilden und so deren Leitungsgeschwindigkeit erhöhen. Sie gehören zu den Gliazellen.

Oligodendrozyten spüren und reagieren auf elektrische Signale

Nun hat ein Team von Neurowissenschaftlern unter der Leitung von Aiman Saab am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Zürich (UZH) eine neue zentrale Funktion dieser isolierenden Zellen im Mäusegehirn entdeckt: «Die Oligodendrozyten nehmen die Signale aktiver Nervenfasern nicht nur wahr, sondern reagieren auch unmittelbar darauf, indem sie den Verbrauch der primären Energiequelle Glukose beschleunigen», sagt Saab. Sie liefern folglich energiereiche Moleküle an die schnell feuernden Axone, um deren dynamischen Energiebedarf zu decken.

Oligodendrozyten

Oligodendrozyten/-/oligodendrocytes

Zellen des Zentralen Nervensystems, die die Myelinscheide um die Nervenzellen bilden und so deren Leitungsgeschwindigkeit erhöhen. Sie gehören zu den Gliazellen.

Kalium ist Schlüsselsignal für die Energieversorgung

Um zu verstehen, wie aktive Axone mit den sie umgebenden Oligodendrozyten kommunizieren, untersuchten die Forschenden den Sehnerv der Maus. Um nach der Stimulierung das «Feuern» der Nervenfasern zu beobachten, wie die Oligodendrozyten darauf reagieren, verwendeten sie winzige Biosensoren: künstlich hergestellte Proteine, die als mikroskopische Detektoren für molekulare Veränderungen dienen. «Damit konnten wir zeigen, dass Kalium das Schlüsselsignal ist, das die Oligodendrozyten aktiviert. Es wird von den Axonen während des Feuerns freigesetzt», sagt Zoe Looser, die Erstautorin der Studie.

Axon

Axon/-/axon

Das Axon ist der Fortsatz der Nervenzelle, der für die Weiterleitung eines Nervenimpulses zur nächsten Zelle zuständig ist. Ein Axon kann sich vielfach verzweigen, und so eine Vielzahl nachgeschalteter Nervenzellen erreichen. Seine Länge kann mehr als einen Meter betragen. Das Axon endet in einer oder mehreren Synapse(n).

Oligodendrozyten

Oligodendrozyten/-/oligodendrocytes

Zellen des Zentralen Nervensystems, die die Myelinscheide um die Nervenzellen bilden und so deren Leitungsgeschwindigkeit erhöhen. Sie gehören zu den Gliazellen.

Sehnerv

Sehnerv/Nervus opticus/optic nerve

Die Axone (lange faserartige Fortsätze) der retinalen Ganglienzellen bilden den Sehnerv, der das Auge auf der Rückseite an der Papille verlässt. Er umfasst ca. eine Million Axone und hat einen Durchmesser von ca. sieben Millimetern.

Axon

Axon/-/axon

Das Axon ist der Fortsatz der Nervenzelle, der für die Weiterleitung eines Nervenimpulses zur nächsten Zelle zuständig ist. Ein Axon kann sich vielfach verzweigen, und so eine Vielzahl nachgeschalteter Nervenzellen erreichen. Seine Länge kann mehr als einen Meter betragen. Das Axon endet in einer oder mehreren Synapse(n).

Fehlende Kommunikationskanäle führen zu Nervenfaserschäden

Die Forscher identifizierten auch einen spezifischen Kaliumkanal namens «Kir4.1» als Schlüsselakteur bei der Kommunikation zwischen Nervenfasern und Oligodendrozyten. Um dessen Rolle zu untersuchen, verwendete das Team genetisch veränderte Mäuse, denen diese Kanäle in den Oligodendrozyten fehlten. Bei diesen Mäusen wiesen Axone verringerte Laktatwerte auf und reagierten weniger auf den Laktatanstieg bei der Aktivierung. Laktat ist ein wichtiges Nebenprodukt des Glukosestoffwechsels und zeigt an, wie schnell dieser Prozess läuft. «Die fehlenden Kaliumkanäle führten zu einem verminderten Glukosestoffwechsel in den Nervenfasern und schliesslich, wenn die Mäuse alterten, zu schweren Axonschäden», ergänzt Looser.

Oligodendrozyten

Oligodendrozyten/-/oligodendrocytes

Zellen des Zentralen Nervensystems, die die Myelinscheide um die Nervenzellen bilden und so deren Leitungsgeschwindigkeit erhöhen. Sie gehören zu den Gliazellen.

Gen

Gen/-/gene

Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.

Axon

Axon/-/axon

Das Axon ist der Fortsatz der Nervenzelle, der für die Weiterleitung eines Nervenimpulses zur nächsten Zelle zuständig ist. Ein Axon kann sich vielfach verzweigen, und so eine Vielzahl nachgeschalteter Nervenzellen erreichen. Seine Länge kann mehr als einen Meter betragen. Das Axon endet in einer oder mehreren Synapse(n).

Wie Alter und Krankheiten die Gesundheit der Nervenfasern beeinflussen

Oligodendrozyten spielen somit eine wesentliche Rolle bei der Regulierung der Stoffwechselprozesse in den Axonen, die für gesunde Nervenverbindungen im Gehirn unerlässlich sind. Zudem versorgt Glukose die Axone nicht nur mit Energie, sondern unterstützt auch Schutzmechanismen gegen Zellschäden durch oxidativen Stress. «Ist aufgrund von Schäden in den Oligodendrozyten der Glukosestoffwechsel in den Nervenfasern gestört, kann das längerfristig Nervenzellschäden verursachen. Diese sind vergleichbar mit Nervenzellschäden, die im Alter sowie bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Multipler Sklerose und Alzheimer auftreten», sagt Aiman Saab. Diesen Zusammenhang wollen die Forschenden nun genauer untersuchen.

Oligodendrozyten

Oligodendrozyten/-/oligodendrocytes

Zellen des Zentralen Nervensystems, die die Myelinscheide um die Nervenzellen bilden und so deren Leitungsgeschwindigkeit erhöhen. Sie gehören zu den Gliazellen.

Axon

Axon/-/axon

Das Axon ist der Fortsatz der Nervenzelle, der für die Weiterleitung eines Nervenimpulses zur nächsten Zelle zuständig ist. Ein Axon kann sich vielfach verzweigen, und so eine Vielzahl nachgeschalteter Nervenzellen erreichen. Seine Länge kann mehr als einen Meter betragen. Das Axon endet in einer oder mehreren Synapse(n).

Neurodegeneration

Neurodegeneration/-/neurodegeneration

Sammelbegriff für Krankheiten, in deren Verlauf Nervenzellen sukzessive ihre Struktur oder Funktion verlieren, bis sie teilweise sogar daran zugrunde gehen. Vielfach sind falsch gefaltete Proteine der Auslöser – wie etwa bestimmte Formen der Eiweiße Beta-​Amyloid und Tau im Falle von Alzheimer. Bei anderen Krankheiten, beispielsweise bei Parkinson oder Chorea Huntington, werden Proteine innerhalb der Neurone nicht richtig abgebaut. In der Folge lagern sich dort toxische Aggregate ab, was zu den jeweiligen Krankheitserscheinungen führt. Während Chorea Huntington eindeutig genetisch bedingt ist, scheint es bei Parkinson und Alzheimer allenfalls bestimmte Ausprägungsformen von Genen zu geben, welche ihre Entstehung begünstigen. Keine dieser neurodegenerativen Erkrankungen kann bisher geheilt werden.

Multiple Sklerose

Multiple Sklerose/Encephalomyelitis disseminata/multiple sclerosis

Eine häufige neurologische Krankheit, die vorwiegend im jungen Erwachsenenalter auftritt. Aus noch ungeklärtem Grund greifen körpereigene Zellen die Myelinscheiden der Nervenzellen an und zerstören diese. Das kann im gesamten zentralen Nervensystem geschehen, weshalb zwei verschiedene Multiple-​Sklerose-​Patienten an ganz unterschiedlichen Symptomen leiden können. Besonders häufig sind Sehstörungen und Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen.

Originalpublikation

Zoe J. Looser, et. al. Oligodendrocyte-axon metabolic coupling is mediated by extracellular K+ and maintains axonal health. Nature Neuroscience. 24 January 2024. DOI: 10.1038/s41593-023-01558-3

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