Frage an das Gehirn

Warum schmeckt mir jetzt der Rosenkohl?

Fragesteller/in: Kardinal Aschenblödl auf Entdeckungsreise via Facebook

Veröffentlicht: 25.11.2013

Lange habe ich Rosenkohl extrem abgelehnt und mir kam als Kind immer der Würgereiz, wenn ich ihn essen musste. In einem Selbstversch habe ich über einen gewissen Zeitraum gehungert. Bei dem Gedanken an Rosenkohl war mir plötzlich nicht mehr schlecht und beim Essen hat er sogar geschmeckt! Das Erstaunliche war: Das ist bis heute so geblieben. Mir schmeckt nun Rosenkohl. Habe ich meine Neuronen des Insellappens umprogrammiert?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Dr. Maik Behrens, Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-​Rehbrücke:

Zunächst einmal muss man bedenken: Schmecken ist nicht gleich Schmecken. Einerseits sagen wir: „Das schmeckt mir.“ Das ist eine Bewertung – etwas ist bekömmlich oder lecker. Andererseits verstehen wir unter Schmecken, dass ein Reiz auf der Zunge entsteht und als Information an das Gehirn weitergeleitet wird – ganz neutral, ohne Bewertung.

Biologisch gesehen, läuft Schmecken so ab: Erst nimmt man die Nahrung in den Mund. Vor allem auf der Zunge, aber auch am weichen Gaumen, sind Geschmacksknospen. In denen wiederum sind Rezeptorzellen. Und jede einzelne Rezeptorzelle ist auf eine der fünf Geschmackswahrnehmungen spezialisiert: bitter, salzig, sauer, süß oder umami. Die Reize werden dann über drei verschiedene Hirnnerven abgeleitet, und zwar zuerst zum Geschmackskern, den Nucleus tractus solitarius. Das ist eine Region im Hirnstamm, die zum Beispiel den Würgereflex reguliert. Von hier gehen die Informationen weiter ins Gehirn, hin zum Geschmackscortex in der Inselrinde. Dort laufen noch andere Informationen ein, zum Beispiel welche Textur die Nahrung im Mund hat, wie das Essen riecht, wie satt man vielleicht schon ist. Hier prägen sich dann bestimmte Geschmackserlebnisse ein.

Dass ein Kind Rosenkohl nicht mag, ist nicht verwunderlich: Rosenkohl ist recht bitter. Und ein bitterer Geschmack ist ein Zeichen dafür, dass etwas möglicherweise nicht bekömmlich oder gar giftig ist. Außerdem haben Menschen 25 verschiedene Typen an Bitter-​Rezeptoren. Manche von denen erkennen nur wenige bittere Substanzen, andere Rezeptoren erkennen hingegen ein breites Spektrum an Bitterstoffen. Wenn man etwas Bitteres in den Mund nimmt, dann wird das zunächst einmal abgelehnt und vielleicht wieder ausgespuckt. Mit der Zeit lernt man aber, dass ein bitterer Geschmack nicht immer mit Gefahr, sondern vielleicht sogar mit erwünschten Wirkungen verbunden ist: Bier, Kaffee und gesundes Gemüse sind auch bitter oder können bitter sein. Irgendwann darf und möchte man das dann vielleicht auch zu sich nehmen. Insofern kann solch ein Lern-​Effekt dazu beigetragen haben, dass bei dem Experiment der Rosenkohl jetzt keinen Würgereiz mehr ausgelöst hat.

Und wenn Sie bei dem Experiment nicht gehungert hätten, dann wäre die Schwelle, Rosenkohl mal wieder zu probieren, wohl weiterhin hoch gewesen. Dann hätten Sie vielleicht nicht dieses positive Erlebnis gehabt, dass Rosenkohl ja doch schmecken kann. Dabei ist die Geschmackserinnerung auch mit dem Wohlbefinden unmittelbar nach einer Mahlzeit assoziiert. Insofern kann man die Leserfrage gewissermaßen bejahen: Zwar werden nicht die Geschmackszellen im Mund und auch nicht die Nervenzellen im Geschmackszentrum im Gehirn umprogrammiert, aber die Geschmackserinnerungen, die im Geschmackscortex im Insellappen gespeichert sind.

Aufgezeichnet von Franziska Badenschier

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