Frage an das Gehirn

Was passiert beim Einschlafen?

Fragesteller/in: Sibylle aus Hamburg

Veröffentlicht: 14.01.2024

Warum merken wir selbst nicht, wenn wir einschlafen?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Dr. Anita Lüthi, Abteilung für Grundlagen der Neurowissenschaften, Universität Lausanne, Schweiz: Das Einschlafen, also der Übergang vom Wachzustand in den Schlafzustand, ist ein dynamischer Prozess, bei dem das Gehirn eine wichtige Rolle spielt. Dieses wird in verschiedene Areale unterteilt, die für unterschiedliche Funktionen zuständig sind, also beispielsweise dafür, dass wir uns bewegen können, dass wir etwas spüren und dass wir uns dessen auch bewusst sind. Diese Hirnareale sind progressiv am Einschlafprozess beteiligt. Die Hirnareale wechseln nicht alle von null auf hundert in den Schlafzustand, sondern sie spielen sich darauf ein. Deshalb findet der Wechsel in den Schlaf nicht in allen Hirnarealen gleichzeitig statt.

Die Tatsache, dass der Einschlafprozess nicht bemerkt wird, weist auf zwei Dinge hin: Einerseits gibt es Hirnareale, die für unser Bewusstsein zuständig sind und die relativ rasch in den Schlafzustand übergehen. Andererseits gibt es Hinweise darauf, dass Hirnareale, die an der Gedächtnisbildung beteiligt sind, relativ rasch ‚einschlafen‘. Das (Be)merken des Einschlafens ist demnach eine zweischneidige Sache: Zwar wird der Einschlafprozess durchaus in gewissen Aspekten wahrgenommen, der Einschlafende erinnert sich danach aber nicht mehr daran. Zum Vergleich bietet sich das Träumen an: Sicher hat jeder schon mal die Erfahrung gemacht, sich zwar eines Traums in der vergangenen Nacht bewusst zu sein, sich jedoch nicht an die genauen Inhalte zu erinnern. Das liegt daran, dass während des Traums Hirnareale ‚wach‘ wurden, die visuelle oder auditorische Erfahrungen oder Inhalte prozessieren – Hirnareale, die an der Gedächtnisbildung beteiligt sind, jedoch nicht gleichzeitig.

Sicher ist auch jeder schon einmal in einem Vortrag oder vor dem Fernseher eingeschlafen. Viele würden auch damit übereinstimmen, dass sie den Einschlafprozess zumindest teilweise wahrgenommen haben. Oder wenn man jemanden beobachtet, der im Sitzen einschläft, dann schließen sich zuerst die Augenlider und der Kopf senkt sich nach vorn. Und irgendwann kommt es zu einem Zucken und der Kopf richtet sich wieder auf. Das Einschlafen betrifft eben nicht nur das Gehirn, sondern auch die Muskeln, die erschlaffen. Dies wird als abnehmender Muskeltonus bezeichnet. Beim Einschlafen im Liegen, kann es auch sein, dass Muskelzuckungen, beispielsweise in den Beinen, auftreten. Das entsteht dadurch, dass sich die Muskeln entspannen und der Körper dann reflexartig versucht, die Anspannung zurückzuholen. Die Abnahme des Muskeltonus ist ganz wichtig dafür, dass wir uns während des Schlafes wenig bewegen und vor allem nicht herumlaufen und uns verletzen können. Die Schauergeschichten von Schlafwandlern berichten von dieser Problematik.

Physiologisch gesehen ist der Prozess des Einschlafens eine allmähliche Veränderung der elektrischen Aktivität des Gehirns. Dabei entstehen im Vergleich zum Wachzustand größere und langsamere elektrische Wellen, die sich im Gehirn ausbreiten. Sobald diese Wellen Hirnareale erfassen, die unser Bewusstsein regulieren, verringert sich die Wahrnehmung der Umgebung und unserer selbst. Im Schlaf sind wir aber alles andere als bewusstlos. Eine Mutter nimmt das Wimmern ihres Kindes auch im Schlaf wahr. Und vermutlich sind wir alle schon einmal durch ungewöhnliche Geräusche, zum Beispiel aus Holzwänden im Schlafzimmer, aufgewacht.

Das physiologische Verständnis des Schlafes zeigt klar, dass Schlaf nicht als globaler, sondern eher als anfänglich lokaler und sekundär globalisierter Gehirnzustand zu verstehen ist. Es gibt Belege dafür, dass bestimmte Hirnareale bereits schlafen können, während andere noch wach sind. Wenn man sehr müde aber noch wach ist, sind bestimmte Hirnareale nicht mehr so aktiv wie andere, sie gehen somit bereits in den Schlafzustand über. Dieser Prozess kann allerdings sehr schnell verlaufen – der Sekundenschlaf bei übermüdeten Autofahrern kann in Bruchteilen von Sekunden zu verringerter Wahrnehmung der Umwelt führen.

Eine weitere Erklärung liefert auch ein Blick auf die Hirnareale, die einen direkten Einfluss auf den Übergang vom Wach- in den Schlafzustand haben. Im Hirnstamm, der unter unserem Hinterkopf zu finden ist, sind mehrere Hirnareale dafür zuständig uns wach zu halten, uns aufmerksam zu machen, uns zu motivieren, uns anzustrengen und uns sensibel zu machen. Das sind ganz kleine Hirnareale, die aber weit ins Vorderhirn projizieren und dort sensorische und kognitive Prozesse anregen. Wenn diese Hirnareale nach einem langen Tag ihre Aktivität herabsetzen, ist das Teil eines normalen Regelprozesses für den unsere innere Uhr zuständig ist. Dies führt auch zu veränderter Aktivität des Thalamus, eines eiförmigen Hirnareals der unter unserer Hirnrinde liegt. Der Thalamus leitet besonders sensorische Informationen, wie Lichtimpulse und akustische Impulse an den Kortex weiter. Es gibt Belege dafür, dass die Aktivität des Thalamus im Einschlafprozess abnimmt und dadurch die sensorische Information nicht mehr im Kortex ankommen kann. Diese Deaktivierung wird mit der Veränderung des Bewusstseins assoziiert, also mit der Tatsache, dass man nicht mehr jeden sensorischen Stimulus wahrnimmt und schläft.

Aufgezeichnet von Stefanie Flunkert

Wahrnehmung

Wahrnehmung/Perceptio/perception

Der Begriff beschreibt den komplexen Prozess der Informationsgewinnung und –verarbeitung von Reizen aus der Umwelt sowie von inneren Zuständen eines Lebewesens. Das Gehirn kombiniert die Informationen, die teils bewusst und teils unbewusst wahrgenommen werden, zu einem subjektiv sinnvollen Gesamteindruck. Wenn die Daten, die es von den Sinnesorganen erhält, hierfür nicht ausreichen, ergänzt es diese mit Erfahrungswerten. Dies kann zu Fehlinterpretationen führen und erklärt, warum wir optischen Täuschungen erliegen oder auf Zaubertricks hereinfallen.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.

Thalamus dorsalis

Thalamus dorsalis/Thalamus dorsalis/thalamus

Der Thalamus ist die größte Struktur des Zwischenhirns und ist oberhalb des Hypothalamus gelegen. Der Thalamus gilt als „Tor zum Bewusstsein“, da seine Kerne Durchgangstation für sämtliche Information an den Cortex (Großhirnrinde) sind. Gleichzeitig erhalten sie auch viele kortikale Eingänge. Die Kerne des Thalamus werden zu Gruppen zusammengefasst.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.

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