Frage an das Gehirn

Was ist der Unterschied zwischen Begeisterung und Verliebtsein?

Fragesteller/in: Sabine H aus Hannover

Veröffentlicht: 22.12.2019

Schwärmst du noch oder liebst du schon? Was genau passiert eigentlich im Gehirn, wenn wir uns verlieben?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Prof. Andreas Bartels, Werner Reichhardt Centre for Integrative Neuroscience Tübingen und Universität Tübingen. Begeisterung lässt sich aus neurologischer Sicht nicht leicht von anderen positiven Geisteszuständen abgrenzen. Auch kann ich mich für viele Dinge oder Personen begeistern. Liebe ist im Gegensatz dazu sehr spezifisch. Verliebt ist man in der Regel nur in eine Person. Die Mechanismen des Verliebens sind inzwischen bekannt und sehr gut untersucht. Letztlich basiert Liebe auf einem recht einfachen, primitiven Mechanismus. Der Mechanismus beginnt bei Beginn der Verliebtheit wohl schon bei einem tiefen Blick in die Augen. Hier kommt bereits ein ganzer Hormoncocktail ins Spiel. Die Sache wird letztlich beim Sex zementiert. Oder auch bei der Geburt, denn die Mutter-Kind-Liebe basiert auf demselben Mechanismus.

Ob das dann langfristig greift, das ist eine andere Frage. Denn es bedeutet nicht, dass, nur weil man mit jemandem schläft, man mit diesem Menschen auch direkt ein Leben lang verbunden ist. Beim Menschen spielen mit Sicherheit noch einige andere Faktoren eine wichtige Rolle.

Es gibt ganz klare Mechanismen, von denen man denkt, dass sie für die Liebe und die Bindung entstanden sind. Es gibt mehrere Hirnregionen und ein paar Hormone, die notwendig und ausreichend sind, um eine Bindung entstehen zu lassen. Eine zentrale Rolle spielt der so genannte Nucleus Accumbens, ein Bereich des Belohnungszentrums. In diesem Bereich liegt eine hohe Dichte der Rezeptoren für Oxytocin und eben auch Dopamin. Die Hormone Oxytocin und Vasopressin gelten als Bindungs- oder Kuschelhormone. Zusammen mit Dopamin, dem so genannten Glückshormon, sorgen sie für die Verliebtheit.

Vereinfacht gesagt führen diese Hormone, wenn sie gemeinsam im Hirn ausgeschüttet werden, dazu, dass das Belohnungssystem umgebaut wird. Im Ergebnis führen die Reize, die man mit dem Partner assoziiert – wie Aussehen und Gerüche – zu einer Belohnung im Gehirn. Man wünscht sich nichts mehr, als ständig mit dem Partner zusammen zu sein. Das erklärt, warum verliebte Menschen sich ständig sehen wollen, selbst wenn große soziale, religiöse oder sogar geografische Hindernisse im Weg stehen.

In der Forschung mit Tieren ließ sich nachweisen, dass bei Tieren, die lebenslang mit einem Partner zusammen sind, genau in diesem Hirnareal die Rezeptoren für die oben genannten Hormone vorhanden sind. Bei Tieren, die keinen Partner haben, sind die Rezeptoren nur schwach ausgebildet.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass der wesentliche Unterschied darin liegt, dass es bei Verliebtsein eine Bindung gibt und bei reiner Begeisterung eben nicht.

Aufgezeichnet von Anke Lorenz-Hoppe

Auge

Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb

Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.

Nucleus

Nucleus/Nucleus/nucleus

Nucleus, Plural Nuclei, bezeichnet zweierlei: Zum einen den Kern einer Zelle, den Zellkern. Zum zweiten eine Ansammlung von Zellkörpern im Gehirn.

Mesolimbisches System

Mesolimbisches System/-/mesolimbic pathway

Ein System aus Neuronen, die Dopamin als Botenstoff verwenden und das entscheidend an der Entstehung positiver Gefühle beteiligt ist. Die Zellkörper liegen im unteren Tegmentums und ziehen unter anderem in die Amygdala, den Hippocampus und – besonders wichtig – den Nucleus accumbens, wo sie ihre Endköpfchen haben.

Rezeptor

Rezeptor/-/receptor

Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.

Oxytocin

Oxytozin/-/oxytocin

Ein im Nucleus paraventricularis und im Nucleus supraopticus des Hypothalamus gebildetes Hormon, welches aus dem Hypophysenhinterlappen ins Blut ausgeschüttet wird. Es leitet bei der Geburt die Wehen ein und wird beim Stillen sowie beim Orgasmus ausgeschüttet. Es scheint die Paarbindung zu erhöhen und Vertrauen zu schaffen. Neuere Erkenntnisse weißen darauf hin, dass das oft als Kuschelhormon bezeichnete Oxytocin jedoch weitaus komplexer ist und seine Effekte auch eine Abgrenzung zur andern Gruppen (out-​groups) beinhalten.

Dopamin

Dopamin/-/dopamine

Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff des zentralen Nervensystems, der in die Gruppe der Catecholamine gehört. Es spielt eine Rolle bei Motorik, Motivation, Emotion und kognitiven Prozessen. Störungen in der Funktion dieses Transmitters spielen eine Rolle bei vielen Erkrankungen des Gehirns, wie Schizophrenie, Depression, Parkinsonsche Krankheit, oder Substanzabhängigkeit.

Mesolimbisches System

Mesolimbisches System/-/mesolimbic pathway

Ein System aus Neuronen, die Dopamin als Botenstoff verwenden und das entscheidend an der Entstehung positiver Gefühle beteiligt ist. Die Zellkörper liegen im unteren Tegmentums und ziehen unter anderem in die Amygdala, den Hippocampus und – besonders wichtig – den Nucleus accumbens, wo sie ihre Endköpfchen haben.

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