Frage an das Gehirn

Wie funktioniert EMDR?

Fragesteller/in: Stefanie aus Stuttgart

Veröffentlicht: 14.04.2024

Traumatherapie mit EMDR: Wie funktioniert das und was passiert dabei im Gehirn?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Dr. med. Susanne Altmeyer, Chefärztin der Klinik für Psychosomatische Medizin, Psychotraumatologie und EMDR und der Tagesklinik des Gezeiten Haus Schloss Eichholz, Wesseling:  EMDR (engl.: Eye Movement Desensitization and Reprocessing, deutsch: Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung) ist eine Methode, die Ende der 1980er Jahre von einer amerikanischen Psychologin namens Francine Shapiro entdeckt wurde. Sie selbst litt an einer Krebserkrankung und bemerkte durch Zufall an sich selbst, dass das bedrückende Gefühl bei dem Gedanken an ihre Krankheit sich verändert, wenn sie mit den Augen schnelle Bewegungen nach links und rechts vollführte. Sie fing an diese Technik in ihrem Freundeskreis, bei Verwandten und später auch bei ihren Patientinnen und Patienten auszuprobieren – mit Erfolg. Aus dieser Entdeckung hat Sharpio eine Therapieform entwickelt.

Dass EMDR funktioniert, galt nach nur wenigen wissenschaftlichen Studien als erwiesen. Doch warum die Methode erfolgreich ist, war lange Zeit unklar. Heute wissen wir: Der Wirkmechanismus dieser Methode liegt in unserem Gehirn verborgen: Wenn wir normale Dinge erleben, hat unser Gehirn ein System, das neu Erlebte in das bereits zuvor Erlebte einzufügen. Dabei wird das Neue mit dem Alten verglichen und anschließend in unserer inneren Bibliothek abgespeichert. An diesem Prozess ist die Hirnregion des Hippocampus entscheidend beteiligt.

Erleben wir nun aber Dinge, die unsere inneren Verarbeitungsmechanismen überfordern – etwa einen schlimmen Unfall, eine Katastrophe oder eine Bedrohung durch andere Menschen oder Gewalt – benutzt unser Gehirn nicht das normale Abspeicherungsverfahren, sondern es verfällt in eine Art Notfallmodus. Das hat den Vorteil, dass man die traumatische Situation in diesem Moment gar nicht richtig wahrnimmt und erleidet. Im Extremfall führt es aber andererseits dazu, dass das Erlebte nicht verarbeitet werden kann.

Bei rund 70 Prozent der schlimmen Erlebnisse wird der normale Verarbeitungsvorgang dann in den darauffolgenden Wochen nachgeholt. Bei rund 30 Prozent bleibt die Information jedoch unverarbeitet. Kommt die Erinnerung an das schlimme Erlebnis dann später hoch, etwa durch einen Auslöser, fühlt es sich an, als wäre die Situation gerade erst passiert – ein sogenannter Flashback. Es kommt dabei zu Angst und einer starken Körperreaktion.

EMDR erlaubt es, das unverarbeitete Erlebte dem normalen Verarbeitungsvorgang im Gehirn zuzuführen. Es wird also nachträglich verarbeitet und in das bereits Erlebte integriert, was dazu führt, dass man zukünftig an die Situation denken kann, ohne dass es einem dabei schlecht geht.

Eine koreanische Arbeitsgruppe konnte 2018 an Mäusen zeigen, wie EMDR im Gehirn funktioniert. Die Ergebnisse dieser Studie haben auch diejenigen von der EMDR-Methode überzeugt, die die Wirksamkeit bis dahin angezweifelt hatten. EMDR, so zeigte sich, setzt im Mittelhirn die Angstreaktion herab. Involviert sind dabei die Colliculi superiores, das sind die oberen zwei Hügel der Vierhügelplatte, der Thalamus und die Amygdala. Denkt man also an die schlimme Situation und führt gleichzeitig die schnellen Augenbewegungen des EMDRs durch, lösen die Gedanken an die Situation immer weniger und schließlich keine Angst mehr aus. Durch die Therapie bei einem gut ausgebildeten EMDR-Experten oder einer EMDR-Expertin können so schwere Traumata erfolgreich behandelt werden.

Aufgezeichnet von Stefanie Flunkert

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