Frage an das Gehirn

Wieso haben wir nicht alle eine große Phantasie?

Fragesteller/in: Realschülerin der 8. Klasse

Veröffentlicht: 27.01.2019

Manche haben viel Phantasie, andere so gut wie keine – woran liegt das?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Antwort von Fred Mast, Professor für Kognitive Psychologie an der Universität Bern: Es gibt in der Tat große individuelle Unterschiede im Phanatasievermögen. Woher die kommen, wissen wir noch nicht genau. Ein Problem ist, dass es bisher nur wenige Möglichkeiten gibt, Phantasie zu messen. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass Phantasie einen eher negativen Touch hatte, mit etwas Pathologischem in Verbindung gebracht und nicht wirklich ernst genommen wurde. Man hat eher zu Kreativität geforscht. Aber die ist eben nur ein Teil der Phantasie.

Zur Phantasie gehören nämlich zwei Komponenten: Man muss zum einen eine visuelle Vorstellungskraft besitzen, also in der Lage sein, sich etwas bildlich vorzustellen. Das sind die Bilder im Kopf, der imaginative Teil der Phantasie. Zum anderen muss man auch in der Lage sein, neue Verknüpfungen herzustellen, Dinge und Ideen neu zu kombinieren. Das ist der kreative Teil der Phantasie.

Es gibt Menschen, die das Eine sehr gut können, das Andere aber nicht so gut. Sie können beispielsweise aus dem Kopf sehr gut beschreiben, wie es zuhause im Wohnzimmer aussieht, wo was steht oder welche Form die Lichtschalter haben. Sie haben eine sehr präzise visuelle Vorstellungskraft. Deshalb müssen sie aber nicht unbedingt viel Phantasie haben. Neue außergewöhnliche Verknüpfungen herzustellen, ist vielleicht nicht gerade ihre Stärke.

Woher diese individuellen Unterschiede kommen, ist schwer zu sagen. Sie könnten bereits genetische Ursachen haben, aber auch aus der Lernerfahrung in der Kindheit kommen. Die Umwelt und auch kulturelle Unterschiede könnten ebenfalls Einfluss darauf nehmen. Möglicherweise wirken sich all diese Faktoren auf die Verknüpfungen im Gehirn aus, die für diese Fähigkeit notwendig sind.

Individuelle Unterschiede in dem Bereich sind beispielsweise bei der visuellen Komponente der Phantasie bekannt. Stellt man sich etwas bildlich vor, werden Gehirnareale aktiviert, die für das Sehen zuständig sind. Genauer gesagt: die Areale der Großhirnrinde, in denen die visuellen Informationen als Erste eintreffen. Das ist ein bisschen erstaunlich, weil ja kein sensorischer Input da ist, die Augen also das Haus, das man sich vorstellt, gar nicht sehen. Und doch zeigt das Gehirn in diesen Bereichen eine ähnliche Aktivierung, als ob ich das Haus tatsächlich betrachte. Bei Menschen, die das besonders gut können, ähneln sich diese Aktivierungsmuster besonders stark.

Eine zu große Phantasie zu haben, kann sich manchmal auch negativ auswirken. Vor allem, wenn die Grenzen zwischen Realität und Phantasie verschwimmen. Das kann bis zur Halluzination führen, der kompletten Verkennung der Wirklichkeit.

Früher dachte man auch, dass Kinder, die sehr viel Phantasiefähigkeit haben, keinen besonders ausgeprägten Realitätssinn haben. Besonders, wenn Kinder mit imaginären Freunden spielen, sorgen sich die Eltern oft. Es hat sich aber gezeigt, dass gerade diese Kinder in entsprechenden Tests Realität und Phantasie im Schnitt sehr gut voneinander unterscheiden können. Durch die Simulation haben sie sozusagen gelernt, die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit besser zu erkennen.

Aufgezeichnet von Nicole Paschek

Auge

Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb

Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.

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