Frage an das Gehirn

Wie viel Flüssigkeit am Tag braucht das Gehirn?

Fragesteller/in: Frau V. via Facebook

Veröffentlicht: 25.04.2014

Schnell wird das Wassertrinken im stressigen Arbeitsalltag vergessen. Die Folge: Es können sich Kopfschmerzen oder Konzentrationsschwierigkeiten einstellen. Wie viel Liter Flüssigkeit täglich braucht unser Gehirn, um gut zu funktionieren?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Antwort von Prof. Dr. Ulrich Ettinger, Institut für Psychologie, Universität Bonn:

Wenn wir zu wenig trinken, reagiert unser Gehirn tatsächlich darauf. Wir haben dazu einen aufschlussreichen Versuch gemacht. 16– und 17-​jährige Jugendliche mussten einen ABC-​Anzug des Militärs anziehen, sprich einen luftdichten Overall. Dann setzten wir sie auf einen Hometrainer, sie mussten insgesamt 70 Minuten Rad fahren. Das Fitnessgerät war auf eine leichte Spazierfahrt eingestellt, die Versuchsteilnehmer mussten sich nicht besonders anstrengen. Dennoch bewirkte der Plastikanzug, dass die Übung für sie schweißtreibend war. Im Schnitt schwitzten sie etwa eineinhalb Liter Flüssigkeit aus. Sie hatten also einen Wasserverlust, wir Wissenschaftler sprechen von einer Dehydrierung.

Anschließend kamen die Jugendlichen in einen funktionellen Magnetresonanztomografen (fMRT). Dort mussten sie ein Computerspiel spielen, bei dem die Planungsfähigkeit getestet wird. Die Probanden zeigten beim Lösen der Aufgaben keine Einschränkungen. Sie waren nach dem Schwitzen ebenso gut wie nach einer Vergleichsbedingung, in der sie keinen Plastikanzug getragen hatten. Die Dehydrierung hatte also offenbar ihre Denkfähigkeit nicht eingeschränkt. Allerdings haben wir im fMRT abweichende Hirnaktivitäten gesehen: Die Probanden zeigten im dehydrierten Zustand im Cortex in drei Bereichen eine deutlich erhöhte neuronale Aktivität. Unsere Interpretation: Die Gehirne im dehydrierten Zustand müssen stärker arbeiten, um die gleiche Leistung zu erzielen wie in der Bedingung ohne Wassermangel. Das kann gefährlich sein, denn wir haben nur begrenzte neuronale und kognitive Reserven. Wenn unser Gehirn sich stärker als üblich anstrengen muss, dann reicht es möglicherweise für zusätzliche Aufgaben nicht mehr.

Aus Studien von Forscherkollegen wissen wir zudem: Eine Dehydrierung wirkt sich auf die Stimmung aus. Durstige Menschen empfinden kognitiv fordernde Aufgaben als besonders schwer: Sie haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, sie werden müde, sind aber gleichzeitig angespannt. Bei größerem Wassermangel sinken zudem die Denkleistungen deutlich.

Sollte also jemand, der lernt oder sich aus anderen Gründen konzentrieren muss, so viel trinken wie möglich? Nein, so einfach ist es nicht. Im Gegenteil deutet ein Experiment eines Forscherkollegen darauf hin, dass auch zu viel Flüssigkeit das Denkvermögen verschlechtern kann: Testpersonen sollten ein Glas Wasser trinken, anschließend wurden ihre kognitiven Leistungen abgefragt. Wenn ein Versuchsteilnehmer vor dem Trinken nach eigener Aussage durstig war, dann verbesserte das Glas Wasser tatsächlich seine Aufmerksamkeit. Anders allerdings die Nicht-​Durstigen: Sie lösten ihre Aufgaben nach dem Wassertrinken schlechter als üblich.

Das bedeutet: Ein Mensch, der sich konzentrieren muss, sollte auf seinen Körper hören. Er sollte sich nicht zum Trinken zwingen. Sobald er aber Durst empfindet, sollte er ein Glas Flüssigkeit zu sich nehmen. Ernährungsphysiologen empfehlen einem Mann, er sollte täglich 2,5 Liter Flüssigkeit trinken, bei Frauen sind es 2 Liter. Dieser Empfehlung kann ich mich als Kognitionsforscher anschließen: Wir sollten ausreichend trinken, das ist nicht nur wichtig für einen gut funktionierenden Körper, sondern auch für einen fitten und schnellen Geist.

Antwort aufgezeichnet von Ragnar Vogt

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.

Aufmerksamkeit

Aufmerksamkeit/-/attention

Aufmerksamkeit dient uns als Werkzeug, innere und äußere Reize bewusst wahrzunehmen. Dies gelingt uns, indem wir unsere mentalen Ressourcen auf eine begrenzte Anzahl von Bewusstseinsinhalten konzentrieren. Während manche Stimuli automatisch unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, können wir andere kontrolliert auswählen. Unbewusst verarbeitet das Gehirn immer auch Reize, die gerade nicht im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen.

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