Frage an das Gehirn

Wie verändert das Spiel mit einem Avatar unser Erleben?

Fragesteller/in: Anke Ulmer via Mail

Veröffentlicht: 25.04.2014

In einer virtuellen Welt kann ich in die Haut eines Avatars schlüpfen. Inwieweit kann das mein Erleben in der Realität verändern und sich auf mein Gehirn auswirken?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Antwort von Prof. Ulrich Weger, Leiter des Departments für Psychologie und Psychotherapie an der Universität Witten-​Herdecke:

Ein Avatar ist eine virtuelle Gestalt, die so programmiert ist, dass sie scheinbar menschenähnliche Verhaltensweisen hat. Diese Verhaltensweisen kann man dann als Mensch in der virtuellen Welt steuern und beeinflussen, weil man gewissermaßen in die Fußstapfen dieses Avatars tritt.

Das Besondere ist dabei: Das, was wir in dem virtuellen Raum durchführen, kann etwas Neues oder Anderes sein – etwas, das wir im realen Leben noch nie getan haben. Dabei üben wir etwas, wir studieren etwas ein. So machen wir uns ein Verhalten zu eigen und identifizieren uns damit. Deswegen kann es passieren, dass wir dann dieses Verhalten aus der virtuellen Welt in unser Verhaltensrepertoire und in die Wirklichkeit übernehmen.

Mit Kollegen bin ich deswegen der Frage nachgegangen: Wenn jemand sich mit Avataren identifiziert – die oft roboterhaft agieren und eine gewisse emotionale Kälte haben –, übernimmt er dann auch dieses roboterhafte Verhalten in die Wirklichkeit? Dazu haben wir unter anderem Versuchsteilnehmer nach ihrem Computerspielverhalten gefragt und dann im Labor ihre emotionale Kühle getestet; dazu mussten die Versuchspersonen Heftklammern aus eiskaltem Wasser fischen. Die Idee war: Je mehr Klammern sie herausfischen, desto länger haben sie die Hand im eiskalten Wasser, und desto resistenter sind sie gegenüber Schmerz. Außerdem sollten die Teilnehmer anhand von Bildern angeben, wie viel Schmerz eine Person wohl empfindet. Beispielsweise war auf einem Foto eine Hand zu sehen, die angeschwollen war.

Die Ergebnisse haben gezeigt: Personen, die sich stärker mit einem roboterhaften Wesen in der Avatar-​Welt identifizierten, waren eher resistent gegenüber eigenen Schmerzen und Schmerzen anderer Personen. Auch andere Experimente in unserer Studie haben gezeigt: Menschen mit viel virtueller Spielerfahrung waren weniger schmerzempfindlich als Menschen, die sich kaum in der virtuellen Welt aufhalten.

Hinter all dem steckt unter anderem auch ein Lernprozess. Dieser spiegelt sich im Gehirn wider. Aber eine genaue neuronale Erklärung für dieses Phänomen finde ich als Sozialpsychologe zunächst einmal nicht besonders wichtig. Wichtiger finde ich die Konsequenzen – und die sprechen eine deutliche Sprache.

Antwort aufgezeichnet von Franziska Badenschier

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