Frage an das Gehirn

Wie funktioniert Hypnose neurobiologisch?

Fragesteller/in: Linus M via Internet

Veröffentlicht: 30.08.2012

Mit ihrer Hilfe lässt sich ein ganz eigener, veränderter Bewusstseinszustand hervorrufen: Hypnose. Doch was passiert eigentlich im Gehirn, wenn man sich in Trance befindet?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Professor Wolfgang H. R. Miltner, Inhaber des Lehrstuhls für Biologische und Klinische Psychologie an der Friedrich-​Schiller-​Universität Jena: Wenn wir diese Frage vollständig beantworten könnten, wäre die Hirnforschung ein großes Stück weiter. Das Grundproblem ist: Um Hypnose neurowissenschaftlich zu untersuchen, muss der Zustand Hypnose erst einmal klar definiert sein – und das ist er nicht. Von einem hypnotischen Zustand sprechen die einen bereits, wenn man einen Schnitt in die Haut zwar noch spürt, ihn aber als weniger schmerzhaft empfindet; die anderen sprechen davon erst, wenn man den Schnitt nicht einmal mehr spürt.

Momentan werden rund ein Dutzend Hypothesen diskutiert, wie das Gehirn Hypnose hervorbringt. Die meisten Wissenschaftler glauben, dass ein Vorgang namens Dissoziation entscheidend ist. Dabei scheint das Gehirn unter Hypnose verschiedene Informationsanteile eines Reizes nicht mehr zu einem Ganzen zusammenzubringen, zum Beispiel die Wahrnehmung der Intensität und der Dauer oder den emotionalen Aspekt.

Mit meinen Mitarbeitern habe ich das für die Schmerz-​Abschaltung mit Hypnose untersucht. Dabei saßen die Versuchsteilnehmer der Kontrollgruppe einfach nur ruhig da und bekamen nacheinander rund 300 schmerzhafte Hitze-​Reize auf einen Finger. Daraufhin sollten sie sagen, wie schmerzhaft sie den Reiz empfanden und wie viel Widerwillen er hervorrief. Die Personen der zweiten Versuchsgruppe wurden hypnotisiert; dabei wurde ihnen suggeriert, ihre Hand sei völlig taub. In diesem Zustand wurden sie mit denselben Reizen stimuliert. Die Probanden der dritten Gruppe bekamen die gleichen Reize, allerdings waren sie nicht hypnotisiert, sondern wurden abgelenkt: Sie sollten einer Geschichte zuhören, um sie später nachzuerzählen. Bei allen drei Gruppen wurden während des Experiments die Hirnströme aufgezeichnet.

Da haben wir entdeckt, dass die Nervenzellen im Gehirn unterschiedlich aktiv gewesen waren: Bei den Kontrollpersonen zeigte das Elektroenzephalogramm (EEG) während der Reizung einen starken Ausschlag. Bei den Personen, die durch die Geschichte abgelenkt worden waren, waren die Reize weniger intensiv und wurden auch als weniger schmerzhaft beschrieben. Die Information über die Reizstärke ist also offensichtlich nicht komplett im Gehirn angekommen. Bei den hypnotisierten Personen zeigte sich indes: Sie hatten ähnliche EEG-​Kurven wie die Kontrollpersonen, erlebten die Reize aber weniger schmerzhaft, so ähnlich wie die abgelenkten Personen.

Neurobiologisch bedeutet das: Unter Hypnose können verschiedene Verbände von Nervenzellen nicht mehr miteinander kommunizieren. Betroffen sind zum Beispiel Neuronen-​Verbände, die unterscheiden, ob der Reiz als kurz und pulsierend empfunden wird oder früher schon einmal erlebt wurde. Für diese Dissoziation ist das Frontalhirn verantwortlich: Unter Hypnose scheint es die Kommunikation zwischen verschiedenen Netzwerken, die einzelne Reizaspekte bearbeiten, abzuschalten. Wenn der Hypnotiseur schließlich seinen Patienten zurückholt, schaltet das Frontalhirn den Informationsaustausch zwischen den einzelnen Netzwerken wieder ein und alles wird wieder normal erlebt.

Aufgezeichnet von Franziska Badenschier

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