Frage an das Gehirn

Wie entsteht Mut?

Fragesteller/in: Dopamin5

Veröffentlicht: 14.04.2018

Wie entsteht Mut, und was passiert dabei im Gehirn?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Uri Nili, Postdoc am Weizman Institute of Science, Rehovot, Israel: Mut lässt sich gar nicht so leicht definieren; dazu gibt es viele unterschiedliche philosophische Auffassungen. Als wir uns auf die Suche nach der Grundlage von Mut im Gehirn machten, haben wir uns dazu entschieden, Mut als Handlungen zu definieren, die man ausführt, obwohl man Angst davor hat. Wer zum Beispiel unter Flugangst leidet und es trotzdem schafft, ins Flugzeug zu steigen, der handelt demnach mutig.

Um Mut im Labor zu untersuchen ließen wir Menschen, die sich vor Schlangen fürchten, darüber entscheiden, wie nahe sie eine Schlange an ihren Kopf kommen ließen – während sie im Hirnscanner lagen. Die Probanden konnten mit jedem Knopfdruck aussuchen, ob sie die lebende Schlange auf dem Fließband ein Stück näher an ihren Kopf transportierten. Das Ergebnis ihrer Wahl sahen sie dann in einem Spiegel. Für jeden Schritt gaben sie außerdem an, wie groß ihre Furcht war, und wir erfassten ihre physiologische Angstreaktion, indem wir ihre elektrodermale Aktivität maßen – den elektrischen Leitwiderstand der Haut.

Wir fanden zwei Areale im Gehirn, deren Aktivität zunahm, wenn Personen trotz ihrer Angst die Schlange näher an den Kopf heranbrachten: den rechten Temporallappen und den einen Bereich im sogenannten Brodmann-Areal 25 (subgenualer, vorderer Gyrus cinguli). Gerade letzterer war besonders interessant, weil die Aktivität dort direkt mit der Intensität der Furcht korrelierte, die die Probanden empfanden, wenn sie sich dafür entschieden, die Schlange noch ein Stückchen näher heranzubringen. Je mehr Angst sie überwanden, desto aktiver war diese Region. Wir meinen also, dass wir dort dem Mut bei seiner Entstehung zusehen konnten.

Wir vermuten, dass diese Gehirnaktivität es Leuten ermöglicht, mutig zu handeln, indem sie die körperliche Angstreaktion unterdrückt. Je stärker dieses Areal im Gehirn arbeitete, desto tiefer sank die elektrodermale Aktivität der Probanden. Wenn jemand den Versuch, die Angst zu überwinden, hingegen aufgab, sprang der elektrische Hautwiderstand  gleich wieder hoch. Menschen, die den Mut finden, sich ihrer Angst zu stellen, können also ihre körperliche Angstreaktion, die ihnen zum Beispiel vorschlägt wegzurennen, im Zaum halten und stattdessen eine Handlung ausführen, vor der sie sich fürchten.

Es wäre toll, wenn wir diese Gehirnaktivität als Biofeedback nutzen könnten, um Menschen dabei zu helfen Strategien zu finden und zu trainieren, mit denen sie ihre Angst überwinden können. Wir wissen nicht, ob dies funktionieren würde, aber es gibt Indizien dafür. Wir wissen zum Beispiel bereits, dass die gleiche Gehirnregion beim Extinktionslernen  aktiv ist. Und Meditation – die vielen Menschen dabei hilft gelassen zu bleiben – verstärkt ebenfalls die Aktivität in dieser Region.

Aufgezeichnet von Nora Schultz

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