Frage an das Gehirn

Wie bringe ich mein Hirn in Schwung?

Fragesteller/in: Anonym

Veröffentlicht: 19.02.2017

Gibt es Substanzen oder Techniken, die das Gehirn nachweislich beim Lernen unterstützen?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth, Universität Bremen, Institut für Hirnforschung: Es gibt im Gehirn eine ganze Reihe von “neuroaktiven” Substanzen (Neurotransmitter, -modulatoren, -peptide), die das Lernen unterstützen. Dazu gehört das Noradrenalin und das Cortisol, die die Vorerwartung und Lernbereitschaft allgemein steigern und einen “positiven Stress” erzeugen. Acetylcholin, erhöht die Aufmerksamkeit und die Verankerung von Lerninhalten im Langzeitgedächtnis. Dopamin verbessert die Lernmotivation über die Aussicht auf eine materielle, soziale und intrinsische Belohnung. Und schließlich gibt es das Oxytocin, das die Bindung zwischen Lehrenden und Lernenden positiv beeinflusst. Die Produktion dieser und weiterer Substanzen wird teils “von innen” durch Vorerwartungen und Vorwissen angeregt, teils auch “von außen”, etwa durch kompetente, glaubwürdige und feinfühlige Lehrer. Ihre Wirkung ist allerdings äußerst spezifisch.

Diese Stoffe können auch direkt von außen aufgenommen oder angeregt werden: Acetylcholin durch Kaffee- und Nikotingenuss, Oxytocin in Form eines Nasensprays, Dopamin durch Amphetamine wie Ritalin, Noradrenalin durch Kaffeegenuss. Meist wirken diese Substanzen dann unspezifisch, und sie haben oft unerwünschte Nebenwirkungen, wenn sie in höheren Dosen oder über längere Zeit eingenommen werden. Ihre Einnahme ist also nur vorübergehend anzuraten, etwa Kaffee und Tee bei akuter Müdigkeit oder Ritalin bei schweren Aufmerksamkeitsstörungen. Das Gehirn stellt sich nämlich schnell auf diese „Beihilfen“ ein und fährt die eigene Produktion der Stoffe dann immer weiter herunter.

Am besten sind Umweltbedingungen wie ein begeisternder Lehrer und ein “hirngerechter” Unterricht mit einer Palette von verschiedenen Lehr- und Lernmethoden. So bewirken der Frontalunterricht, Gruppenarbeit, Einzelarbeit oder ein Praktikum im Gehirn eine hohe Lernbereitschaft, und sie führen dazu, dass Lerninhalte gut verankert werden. Wichtig hierbei sind weitere Faktoren, nämlich positiver Stress in Form von Anstrengung und Herausforderung, Anschlussfähigkeit des Inhaltes, Aufmerksamkeit und Wiederholung. Gerade eine systematische Wiederholung in zunehmenden zeitlichen Abständen ist unabdingbar für die Verankerung komplexer Inhalte. Dabei ist es wichtig, dass die Wiederholung mit einem “aktiven Erinnern” verbunden ist.

Schließlich gibt es bewährte Techniken zur Verbesserung der Gedächtnisleistungen. Sie beruhen alle darauf, dass Dinge, an die sich die meisten nur schwer erinnern, wie Namen und Zahlen, mit solchen verbunden werden, die den meisten von uns leichtfallen wie zum Beispiel Bilder, lustige oder merkwürdige Begriffe und leicht fassbare Symbole.

Aufgezeichnet von Helge Hasselmann

Noradrenalin

Noradrenalin/-/noradranalin

Gehört neben Dopamin und Adrenalin zu den Catecholaminen. Es wird im Nebennierenmark und in Zellen des Locus coeruleus produziert und wirkt meist anregend. Noradrenalin wird oft mit Stress in Verbindung gebracht.

Aufmerksamkeit

Aufmerksamkeit/-/attention

Aufmerksamkeit dient uns als Werkzeug, innere und äußere Reize bewusst wahrzunehmen. Dies gelingt uns, indem wir unsere mentalen Ressourcen auf eine begrenzte Anzahl von Bewusstseinsinhalten konzentrieren. Während manche Stimuli automatisch unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, können wir andere kontrolliert auswählen. Unbewusst verarbeitet das Gehirn immer auch Reize, die gerade nicht im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen.

Langzeitgedächtnis

Langzeitgedächtnis/-/long-term memory

Ein relativ stabiles Gedächtnis über Ereignisse, die in der etwas entfernteren Vergangenheit passiert sind. Im Langzeitgedächtnis werden Inhalte zeitlich nahezu unbegrenzt gespeichert. Unterschiedliche Gedächtnisinhalte liegen in unterschiedlichen Gehirn-​Arealen. Die zelluläre Grundlage für diese Lernprozesse beruht auf einer verbesserten Kommunikation zwischen zwei Zellen und wird Langzeitpotentierung genannt.

Dopamin

Dopamin/-/dopamine

Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff des zentralen Nervensystems, der in die Gruppe der Catecholamine gehört. Es spielt eine Rolle bei Motorik, Motivation, Emotion und kognitiven Prozessen. Störungen in der Funktion dieses Transmitters spielen eine Rolle bei vielen Erkrankungen des Gehirns, wie Schizophrenie, Depression, Parkinsonsche Krankheit, oder Substanzabhängigkeit.

Acetylcholin

Acetylcholin/-/acetylcholine

Acetylcholin ist einer der wichtigsten Neurotransmitter, also der Botenstoffe im Gehirn. Es ist unter anderem verantwortlich für die Muskelkontraktion, da es die Übertragung zwischen Nerv und Muskel an den sogenannten neuromuskulären Endplatten vermittelt. Es war der erste der chemischen Botenstoffe, der entdeckt wurde – 1921, am Herzen eines Frosches durch Otto Loewi.

Oxytocin

Oxytozin/-/oxytocin

Ein im Nucleus paraventricularis und im Nucleus supraopticus des Hypothalamus gebildetes Hormon, welches aus dem Hypophysenhinterlappen ins Blut ausgeschüttet wird. Es leitet bei der Geburt die Wehen ein und wird beim Stillen sowie beim Orgasmus ausgeschüttet. Es scheint die Paarbindung zu erhöhen und Vertrauen zu schaffen. Neuere Erkenntnisse weißen darauf hin, dass das oft als Kuschelhormon bezeichnete Oxytocin jedoch weitaus komplexer ist und seine Effekte auch eine Abgrenzung zur andern Gruppen (out-​groups) beinhalten.

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