Frage an das Gehirn

Werden Emotionen „gespeichert“?

Fragesteller/in: Marianne Vesper via Internet

Veröffentlicht: 04.12.2013

Erinnerungen sind oft mit Gefühlen verbunden. Aber wie funktioniert das genau? Werden Emotionen „gespeichert“ oder durch Reize immer wieder neu erzeugt?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Prof. Johanna Kißler, Leiterin der Arbeitsgruppe Affektive Neuropsychologie an der Universität Bielefeld:

Es trifft wohl beides zu: Emotionen selbst werden im Augenblick jedes Mal neu erzeugt. Gefühle zu erleben, ist schließlich ein momentanes Erleben. Auch wenn eine Erinnerung eine Emotion hervorruft, handelt es sich um eine aktuelle Reaktion und damit auch um ein augenblickliches Gefühl. Die Emotion entsteht in solchen Fällen aus dem Zusammenspiel zwischen der aktuellen Situation, oft besonders der momentanen Stimmung und einer früheren Situation, an die man sich erinnert.

Szenen aus dem eigenen Leben und ihre emotionalen Qualitäten sind miteinander verbunden abgespeichert und können durch bestimmte Reize wieder abgerufen werden. Verbinde ich beispielsweise den Geruch von Sonnenmilch mit einem angenehmen Urlaubstag am Strand, kann der Geruch nicht nur die Erinnerungen an die damaligen Ereignisse wieder in mir hervorrufen, sondern auch, wie ich mich damals gefühlt habe. Mit der Zeit verfeinert sich unser Erfahrungsschatz. Bei Erwachsenen können auch schon recht abstrakte und neutrale Auslöser wie das Wort „Schwiegermutter“ Emotionen hervorbringen. Bei einem Menschen, der mehrere Scheidungen hinter sich hat, wird das Wort möglicherweise andere – vielleicht viel mehr negative – Gefühle auslösen als bei einer Person, die noch nie verheiratet gewesen ist.

Vermutlich sind die Ereignisse aus unserem Leben und ihre emotionalen Qualitäten in neuronalen Netzwerken im Gehirn „abgelegt“. Bildlich gesprochen wird eine Art Schwarz-​Weiß-​Film mit den Szenen unseres Lebens in bestimmten Strukturen im Gehirn gespeichert. Und andere Hirnstrukturen sorgen für eine emotionale Einfärbung dieses Films. Das sind getrennte Dinge. Denn es gibt Menschen, die können sich noch ziemlich gut an die Fakten in ihrem Leben erinnern. Aber die emotionale Qualität scheint verloren gegangen zu sein. Man kennt dieses Phänomen auch aus dem eigenen Leben. Ich kann mich durchaus an emotionale Ereignisse erinnern, beispielsweise an eine nette Hochzeit meiner Tante, ohne die Gefühle dieses Tages noch einmal nachzuerleben. In einer anderen Situation kann aber dieselbe Erinnerung durchaus wieder zusammen mit ihrer emotionalen Tönung abgerufen werden.

Interessanterweise sind wir gar nicht so gut darin, uns ganz spontan an viele Dinge zu erinnern. Oft benötigen wir tatsächlich einen Auslöser, eine Situation, die uns an eine ähnliche frühere Situation erinnert. Unser Erinnern hängt davon ab, wie gut die aktuellen Umstände zu unserem Gedächtnisinhalt passen. Deshalb werden wir uns in schlechter Laune an mehr negative Dinge erinnern und in guter Laune an mehr Positives.

Als Fazit kann man also sagen, dass Emotionen das Produkt sind aus der jetzigen Situation und dem Erfahrungsschatz, den ich in ähnlichen Situationen erworben habe. Emotionen werden auch bei Erinnerungen neu erzeugt, aber eben vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen.

Aufgezeichnet von Christian Wolf

Emotionen

Emotionen/-/emotions

Unter „Emotionen“ verstehen Neurowissenschaftler psychische Prozesse, die durch äußere Reize ausgelöst werden und eine Handlungsbereitschaft zur Folge haben. Emotionen entstehen im limbischen System, einem stammesgeschichtlich alten Teil des Gehirns. Der Psychologe Paul Ekman hat sechs kulturübergreifende Basisemotionen definiert, die sich in charakteristischen Gesichtsausdrücken widerspiegeln: Freude, Ärger, Angst, Überraschung, Trauer und Ekel.

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Unter „Emotionen“ verstehen Neurowissenschaftler psychische Prozesse, die durch äußere Reize ausgelöst werden und eine Handlungsbereitschaft zur Folge haben. Emotionen entstehen im limbischen System, einem stammesgeschichtlich alten Teil des Gehirns. Der Psychologe Paul Ekman hat sechs kulturübergreifende Basisemotionen definiert, die sich in charakteristischen Gesichtsausdrücken widerspiegeln: Freude, Ärger, Angst, Überraschung, Trauer und Ekel.

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Unter „Emotionen“ verstehen Neurowissenschaftler psychische Prozesse, die durch äußere Reize ausgelöst werden und eine Handlungsbereitschaft zur Folge haben. Emotionen entstehen im limbischen System, einem stammesgeschichtlich alten Teil des Gehirns. Der Psychologe Paul Ekman hat sechs kulturübergreifende Basisemotionen definiert, die sich in charakteristischen Gesichtsausdrücken widerspiegeln: Freude, Ärger, Angst, Überraschung, Trauer und Ekel.

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