Frage an das Gehirn

Warum sind manche Tiere monogam?

Fragesteller/in: Heinz S.

Veröffentlicht: 18.07.2021

Warum bleiben sich Männchen und Weibchen bei manchen Tierarten ein Leben lang treu, während andere jedes Jahr einen neuen Partner suchen?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Peter Kappeler, Professor für Soziobiologie und Anthropologie an der Universität Göttingen: Verschiedene Tierarten haben unterschiedliche Strategien entwickelt, um Nachwuchs zu bekommen und aufzuziehen. Alle haben Vor- und Nachteile, in manchen Fällen zwingen auch äußere Umstände die Tiere dazu, sich anders zu verhalten, als sie es eigentlich möchten. Etwa, wenn es nur noch wenige Exemplare einer Art in einem bestimmten Gebiet gibt. Dann bleiben sich Männchen und Weibchen vielleicht ein Leben lang treu, obwohl sie sonsten eher wechselnde Partner haben. Sie müssen sich eben an die existierende Realität anpassen. Der Ausgangspunkt ist eigentlich immer: Wie verteilen sich die Weibchen in einem bestimmten Habitat? Wenn die ökologischen Bedingungen, – etwa Nahrungs- und Wasserangebot – dazu führen, dass Weibchen eher einzelgängerisch und territorial sind, wird es für ein Männchen schwierig, mehrere Weibchen zu verteidigen.

Indem es sich mit möglichst vielen Weibchen paart, kann ein Männchen seinen Fortpflanzungserfolg maximieren. Das ist die treibende Kraft und gilt eigentlich für alle getrenntgeschlechtlichen Tierarten mit sexueller Fortpflanzung. Aus Sicht des Weibchens sieht das natürlich anders aus: Es hat nur eine begrenzte Anzahl an Eizellen. Jedes Ejakulat enthält Millionen an Spermien. Das reicht definitiv, um die Eier zu befruchten. Unter diesem Blickwinkel macht es also keinen Sinn, sich mit mehreren Männchen zu verpaaren. Grundsätzlich haben Männchen und Weibchen unterschiedliche Interessen, was die Fortpflanzung angeht. In einer langjährigen oder gar lebenslangen Partnerschaft kann sich dieser Konflikt reduzieren, weil man gemeinsame Interessen verfolgt: Das Revier verteidigen oder die Aufzucht der Jungen beispielsweise.

Die Brutpflege ist ein wichtiger Grund, als Paar zusammenzubleiben. Sie kostet viel Energie, es ist von Vorteil, wenn man dabei zu zweit ist. Das gilt insbesondere für Vögel: Den Eiern ist es egal, ob ein Männchen oder ein Weibchen darauf sitzt; beide können die Küken mit Würmern füttern. Für Säugetier-Männchen ist es deutlich schwieriger, sich an der elterlichen Fürsorge zu beteiligen: Die Entwicklung der Jungen findet zum Großteil im Körper des Weibchens statt, letzteres versorgt sie anschließend mit Milch. Es liegt also nahe, dass das Männchen das Weibchen nach der Paarung verlässt und sich auf die Suche nach weiteren Geschlechtspartnerinnen begibt.

Aber auch für Weibchen gibt es gute Gründe, sich mit mehreren Männchen zu paaren. Das ist beispielsweise bei Schimpansen der Fall. Bringt das Weibchen ein Junges zur Welt, könnte jeder Kandidat der Vater sein. Diese Illusion verhindert, dass die Männchen das Jungtier töten. Paart sich ein Weibchen mit verschiedenen Männchen, erhöht sich zudem die genetische Variabilität des Nachwuchses. Damit steigen seine Überlebenschancen – insbesondere in einer sich schnell verändernden Umwelt. Ein solches Verhalten beobachtet man bei vielen Arten, die auf den ersten Blick monogam sind, zum Beispiel bei Singvögeln: Sie leben eigentlich als feste Paare. Die Weibchen haben aber regelmäßig Kontakt zu anderen Männchen. Bei manchen Arten geht das so weit, dass der Großteil der Jungen gar nicht von dem Partner stammt, der sich letztendlich um ihre Nachkommen kümmert.

Insgesamt lässt sich von wenigen Tieren mit Sicherheit sagen, dass sie ihr Leben lang monogam leben. Ich beschäftige mich vor allem mit Primaten, manche Arten davon können 40 bis 50 Jahre alt werden. Es ist sehr schwierig, diese Tiere über einen so langen Zeitraum im Freiland zu beobachten. Die besten Daten stammen von argentinischen Nachtaffen, die schon seit weit über 20 Jahren untersucht werden. Da gibt es tatsächlich Tiere, die sich laut genetischer Vaterschaftsuntersuchungen über viele Jahre treu sind.

Aufgezeichnet von Annika Röcker

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