Frage an das Gehirn

Arbeiten die Augen im Schlaf?

Fragesteller/in: Franziska W. aus Berlin

Veröffentlicht: 17.12.2023

Warum rollen die Augen im Schlaf hin und her?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Stefan Seidel, Somnologe, Ärztlicher Direktor der Klinik Pirawarth und assoziierter Professor an der Medizinischen Universität Wien: Zu dieser Frage gibt es zwei Punkte festzuhalten. Zum einen rollen die Augen zu Beginn unseres Schlafs, wenn wir gerade im Prozess des Einschlafens sind. Sie bewegen sich dann in Form von sogenannten langsamen rollenden Augenbewegungen umher. Das heißt, unsere Augenmuskeln verlieren etwas an Spannung und es kommt zu langsamen rollenden Augenbewegungen, die man an seinen Mitmenschen beobachten kann, wenn sie beispielsweise im Sitzen neben einem einschlafen. Das tun die Augen immer konjugiert, wie sie es auch im Wachzustand tun, wenn wir herumschauen. Das bedeutet, die beiden Augen bewegen sich nicht unabhängig voneinander, sondern immer miteinander in eine Richtung. Es handelt sich also beim Einschlafen um ein Augenrollen, das mit der Abnahme der Muskelspannung durch die Abnahme der Aktivität von höheren Hirnzentren zusammenhängt, die die Augenbewegungen koordinieren und uns erlauben gezielt herumzuschauen.

Der zweite Punkt bezieht sich auf rasche Augenbewegungen in der Rapid-Eye-Movement (REM) Schlafphase. Diese Bewegungen sind nochmal etwas spannender, da es dazu in den letzten fünf bis zehn Jahren sehr interessante Forschungsarbeiten gab. Wir wissen, dass wir im REM-Schlaf szenisch träumen. Wir träumen uns also durch Geschichten, die manchmal sehr bizarr sind. Während dieser Träume blicken wir auch umher. Wir sehen uns dabei die Dinge an, die wir im Traum sehen. Hier konnte man anhand von Experimenten in Mäusen zeigen, dass diese Augenbewegungen Hand in Hand gehen mit Veränderungen im Gehirn, die anzeigen, dass sich räumlich etwas verändert; als würden wir im Traum umhergehen und wenn wir nach links gehen auch gleichzeitig nach links schauen. Es gibt somit einen Zusammenhang zwischen dem was wir tun, wohin wir uns im Traum bewegen und wo sich die Augen in Form der raschen Augenbewegungen hinbewegen.

Ein anderer Aspekt ist, dass wir auch in der Lage sind mit Träumenden zu kommunizieren. Das heißt, wenn wir gewisse Fragen stellen oder Signale senden, kann durch kurze, willkürliche Augenbewegungen eine Antwort zustande kommen. REM-Schlaf ist somit durchaus ein Fenster zum Träumenden. Beim REM-Schlaf ist die restliche willkürliche Körpermuskulatur komplett gelähmt, nur die raschen Augenbewegungen sind möglich. Das hat mit den Regelkreisen im Hirnstamm zu tun. Hier kann die Muskulatur des restlichen Körpers über den Hirnstamm und motorische Zentren im Rückenmark mit Hilfe von Botenstoffen gehemmt werden.

Das Wechselspiel wird so reguliert, dass die Aktivität der gesamten willkürlichen Körpermuskulatur, abgesehen von der Atemmuskulatur natürlich, gehemmt wird. Selektiv bleiben nur die Augenmuskeln aktiv und mit Nervenreizen versorgt. Die Nervenversorgung der Augen entspringt am Hirnstamm am Übergang zum Zwischenhirn – etwas höher als die der restlichen Körpermuskulatur. Die Augen werden durch die Hirnnerven III, IV und VI und durch übergeordnete Zentren im Gehirn gesteuert. Die Muskulatur der Augen und der restlichen Körpermuskulatur wird somit von zwei komplett voneinander getrennten Regelkreisen versorgt.

Wird die Aktivität der Körpermuskulatur im REM-Schlaf nicht gehemmt, spricht man von einer REM-Schlaf Verhaltensstörung. Das bedeutet, dass Träume dann ausagiert werden, herumgeschlagen wird, teilweise auch geschrien oder gesungen wird. Das kann wiederum ein Anzeichen für eine möglicherweise in den Folgejahren von etwa 10 bis 15 Jahren, beginnende neurodegenerative Erkrankung wie dem Morbus Parkinson sein. Dies darf aber nicht mit Schlafwandeln verwechselt werden, das häufig bei Kindern beobachtet wird. Schlafwandeln gehört zu den sogenannten Non-REM Schlaf-Parasomnien. Schlafwandeln findet also nicht während des REM-Schlafs, sondern im Leicht- und Tiefschlaf statt. Am häufigsten treten Schlafwandelepisoden aus dem Tiefschlaf heraus auf. Schlafwandeln, Sprechen oder Stöhnen im Schlaf oder der Nachtschreck, ein Hochschrecken aus dem Schlaf, passieren somit aus dem Non-REM-Schlaf und sind kein Frühsymptom für eine neurologische Erkrankung.

Aufgezeichnet von Stefanie Flunkert.

Auge

Augapfel/Bulbus oculi/eye bulb

Das Auge ist das Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen – von elektromagnetischer Strahlung eines bestimmten Frequenzbereiches. Das für den Menschen sichtbare Licht liegt im Bereich zwischen 380 und 780 Nanometer.

REM-Schlaf

REM-Schlaf/-/REM sleep

„REM“ steht für „rapid eye movement“ – und rasche Augenbewegungen sind auch charakteristisch für den REM-​Schlaf. Im Laufe einer Nacht durchleben wir mehrere solcher REM-​Phasen, die von non-​REM-​Phasen unterbrochen werden. REM-​Schlaf zeichnet sich durch schnelle Augenbewegungen aus, niedrig-​amplitudige Hirnaktivität gemischter Frequenzen sowie einem reduzierten Muskeltonus. Puls und Atemfrequenz sind dagegen erhöht. Zudem träumen wir während dieser Phasen besonders bildhaft und intensiv. Menschen, die aus dem REM-​Schlaf geweckt werden, berichten häufig bildhafte, konkrete und auch emotionale Träume, während nach dem Wecken aus dem non-​REM-​Schlaf eher abstraktere und an Gedanken erinnernde Träume berichtet werden.

Hirnstamm

Hirnstamm/Truncus cerebri/brainstem

Der „Stamm“ des Gehirns, an dem alle anderen Gehirnstrukturen sozusagen „aufgehängt“ sind. Er umfasst – von unten nach oben – die Medulla oblongata, die Pons und das Mesencephalon. Nach unten geht er in das Rückenmark über.

Rückenmark

Rückenmark/Medulla spinalis/spinal cord

Das Rückenmark ist der Teil des zentralen Nervensystems, das in der Wirbelsäule liegt. Es verfügt sowohl über die weiße Substanz der Nervenfasern, als auch über die graue Substanz der Zellkerne. Einfache Reflexe wie der Kniesehnenreflex werden bereits hier verarbeitet, da sensorische und motorische Neuronen direkt verschaltet sind. Das Rückenmark wird in Zervikal-​, Thorakal-​, Lumbal und Sakralmark unterteilt.

Diencephalon

Zwischenhirn/Diencephalon/diencephalon

Zum Diencephalon (Zwischenhirn) gehören unter anderem der Thalamus und der Hypothalamus. Gemeinsam mit dem Großhirn bildet es das Vorderhirn. Im Diencephalon finden sich Zentren für Sensorik, Emotion und zur Steuerung lebenswichtiger Funktionen wie Hunger und Durst.

Hirnnerv

Hirnnerv/-/cranial nerve

Eine Gruppe von 12 paarigen Nerven, die direkt am Gehirn entspringen, meist am Hirnstamm. Sie werden mit römischen Ziffern (I – XII) nummeriert. Der erste und der zweite Hirnnerv (Riech– und Sehnerv) sind im eigentlichen Sinn keine Nerven sondern Teile des Gehirns.

Neurodegeneration

Neurodegeneration/-/neurodegeneration

Sammelbegriff für Krankheiten, in deren Verlauf Nervenzellen sukzessive ihre Struktur oder Funktion verlieren, bis sie teilweise sogar daran zugrunde gehen. Vielfach sind falsch gefaltete Proteine der Auslöser – wie etwa bestimmte Formen der Eiweiße Beta-​Amyloid und Tau im Falle von Alzheimer. Bei anderen Krankheiten, beispielsweise bei Parkinson oder Chorea Huntington, werden Proteine innerhalb der Neurone nicht richtig abgebaut. In der Folge lagern sich dort toxische Aggregate ab, was zu den jeweiligen Krankheitserscheinungen führt. Während Chorea Huntington eindeutig genetisch bedingt ist, scheint es bei Parkinson und Alzheimer allenfalls bestimmte Ausprägungsformen von Genen zu geben, welche ihre Entstehung begünstigen. Keine dieser neurodegenerativen Erkrankungen kann bisher geheilt werden.

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