Frage an das Gehirn

Warum erinnern wir uns besser an Negatives?

Fragesteller/in: Laura V. aus Köln

Veröffentlicht: 04.09.2022

Ich habe den Eindruck, dass sich unangenehme Momente besser ins Gedächtnis eingraben als gute. Warum?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Dr. Anne Bierbrauer, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für systemische Neurowissenschaften, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf: Aus vielen Studien ist bekannt, dass in Situationen, die uns neu sind oder die wir als bedrohlich empfinden, zwei Hirnareale vorrangig beteiligt sind: Die Amygdala und der Hippocampus. Während die Amygdala für die emotionale Bewertung und Verarbeitung zuständig ist – sie ist quasi die „Angstzentrale“ –, ist der Hippocampus so etwas wie eine Schaltstelle. Er sorgt dafür, dass Dinge vom Kurz- in das Langzeitgedächtnis übertragen werden. Außerdem ist er für das Verarbeiten von Emotionen zuständig. Geraten wir in stressige Situationen, aktivieren entsprechende Neurotransmitter diese beiden Areale besonders.

In unserer Studie an der Ruhr-Universität Bochum, wo ich promoviert habe, haben wir uns ebenfalls auf diese beiden Areale konzentriert. In unserer Untersuchung lag der Fokus darauf herauszufinden, wie bestimmte Aspekte in der Erinnerung abgespeichert werden. Dazu haben wir unsere Probanden in eine stressige Situation gebracht. Sie mussten eine Art Bewerbungsgespräch vor zwei Personen führen – der Alptraum eines Bewerbungsgesprächs: Es gab kein Feedback, keine Unterstützung, die Probanden wurden die ganze Zeit nur angestarrt, so dass sie sich um Kopf und Kragen geredet haben. Parallel wurde das Gespräch auch noch aufgezeichnet, und der Bildschirm stand dabei so, dass sich die Probanden die ganze Zeit selbst sehen konnten.

Im Anschluss an das Gespräch haben wir erfragt, woran sich die Probanden erinnern konnten. Dazu hatten wir während des Gesprächs verschiedene Objekte im Raum platziert. Das waren ganz alltägliche Dinge wie zum Beispiel eine Kaffeekanne. Eine der beiden Personen, die das Gespräch führten, hat während des Gesprächs diese Kaffeekanne genommen, sich etwas Kaffee eingegossen und dann wieder weggestellt. Unsere Idee war, dass sich die Probanden an die Dinge, die während der Stresssituation benutzt wurden, besonders gut erinnern können. Diese Objekte verstehen wir als „zentral“ für die Stresssituation und nannten sie daher „zentrale Objekte“. Sie werden häufiger erinnert und erinnerungswerte Dinge werden quasi an den Stress und die damit verbundenen Emotionen geknüpft. Das lässt sich im fMRT auch auf Ebene des Gehirns darstellen, indem man den Probanden diese Dinge und gleichzeitig die Gesichter der Interviewer zeigt, während sie im Magnetresonanztomografen liegen.

Wir haben herausgefunden: Wenn die Kaffeekanne besonders stark mit einem der Interviewer assoziiert ist – konkret mit der Person, die dann auch die Kaffeekanne benutzt hatte – dann erinnern sich die Probanden besonders gut an die Kanne. Wir interpretieren diese Beobachtung so, dass eine negative Emotion in der Regel über ein bestimmtes Objekt transportiert wird. In unserem Fall sind das die Interviewer, die die Probanden während des Bewerbungsgespräches angestarrt haben. All jene Dinge, die mit der stressauslösenden Person verbunden sind, wie zum Beispiel die Kaffeekanne, werden durch die Emotionen besonders erinnerungswürdig.

Die Assoziation zwischen zentralen Objekten und Stress auslösenden Gesichtern wurde in der linken Amygdala gefunden und nicht im Hippocampus, der an der Verarbeitung von neutralen Erinnerungen üblicherweise stark beteiligt ist. Negative Momente scheinen demnach eher an eine Emotion geknüpft zu werden, als an einen Kontext, sprich an einen bestimmten Ort oder Zeit.

Aufgezeichnet von Anke Lorenz

 

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