Die Kleinhirnstiele

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Das Kleinhirn ist stets auf dem Laufenden: Drei dicke Faserbündel verbinden es mit dem Rest des Gehirns und liefern eine Flut an Information über den Zustand des Körpers. Viele Fasern tragen auch Signale hinaus — aber es sind deutlich weniger.

Scientific support: Prof. Dr. Hans-Dieter Hofmann

Published: 23.08.2011

Difficulty: intermediate

Das Wichtigste in Kürze

Das Kleinhirn ist über drei dicke Faserbündel mit dem Rest des Zentralnervensystems verbunden. Der obere und untere Kleinhirnstiel bringen Informationen aus dem Körper ins Kleinhirn und leiten Signale zur Bewegungskorrektur zum Hirnstamm und zur Großhirnrinde. Der mittlere Kleinhirnstiel enthält nur zuführende Fasern, die Signale aus der Großhirnrinde vermitteln.

Wenn das Kleinhirn aufgrund seines verästelten Innenlebens der „Lebensbaum“ ist, dann sind die Kleinhirnstiele die Wurzeln, mit denen das Cerebellum fest an Pons, verlängertem Rückenmark und benachbarte Hirnregionen ankert. Die drei dicken Faserbündel sind direkte Ausläufer der weißen Marksubstanz des Kleinhirns. Sie transportieren Informationen aus allen möglichen Teilen des Körpers heran und tragen ausgehende Signale zu anderen Gehirnregionen hinaus. Wie mächtige Kabel verbinden die Kleinhirnstiele also das ansonsten isoliert liegende Kleinhirn mit dem Rest des Gehirns.

Dabei gibt es deutlich mehr Fasern, die Informationen heranführen, als solche, die Signale aus dem Kleinhirn hinausleiten: Auf 40 zuführende Fasern kommt eine hinausführende. Das Kleinhirn soll schließlich immer im Blick haben, was gerade im Körper passiert. Es benötigt dazu sehr viel Input, etwa aus dem Gleichgewichtsorgan, von Rezeptoren der Tiefenwahrnehmung, aus dem Rückenmark und dem motorischen Cortex, sprich: sowohl über gerade stattfindende Bewegungen als auch über solche, die in der Großhirnrinde erst geplant werden. Hat es die vielfältigen Signale aufeinander abgestimmt, nimmt das Resultat seiner Arbeit, sein Korrektur-​Output, deutlich weniger Übertragungskapazität in Anspruch.

Cerebellum

Kleinhirn/Cerebellum/cerebellum

Das Cerebellum (Kleinhirn) ist ein wichtiger Teil des Gehirns, an der Hinterseite des Hirnstamms und unterhalb des Okzipitallappens gelegen. Es besteht aus zwei Kleinhirnhemisphären, die vom Kleinhirncortex (Kleinhirnrinde) bedeckt werden und spielt u.a. eine wichtige Rolle bei motorischen Prozessen. Entsteht aus dem Rhombencephalon. 

Lage und Aufbau

Wer auch immer einst den drei Kleinhirnstielen ihren Namen gab, war dabei nicht sehr fantasievoll: Sie heißen einfach nur oberer, mittlerer und unterer Stiel, auf lateinisch also Pedunculus cerebellaris superior, medius und inferior. Der obere Stiel verbindet das Kleinhirn mit dem Mittelhirn, der mittlere mit dem Pons und der untere mit dem verlängerten Rückenmark, der Medulla oblongata.

Der obere Kleinhirnstiel grenzt an das Velum medullare superius, eine Marklamelle zwischen Kleinhirn und Vierhügelplatte und gleichzeitig Dach des vierten Ventrikels. Der mittlere Kleinhirnstiel liegt weiter seitlich, ist der kräftigste der drei Faserbündel und enthält im Gegensatz zu den beiden anderen Stielen nur zuführende Fasern. Er ist in der Evolution später entstanden und hat sich dabei zwischen den oberen und den unteren Kleinhirnstiel geschoben. Bei diesem Prozess hat er einige Faserbündel auseinandergedrängt, die funktionell zusammengehören, und zwar die Bahnen, die Informationen aus dem Rückenmark bringen. Daher läuft jetzt nur ein Teil der Fasern vom Rückenmark zum Kleinhirn durch den unteren Kleinhirnstiel, während der Rest dieser Bahn über den oberen Kleinhirnstiel geführt wird. Darauf weisen Prüfungspaukbücher die Medizinstudenten ausdrücklich hin, als Ausnahme von der Regel. Ansonsten sind die Bahnen nämlich recht logisch nach dem Ort ihres Ursprungs den drei Kleinhirnstielen zuzuordnen.

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Zuführende Fasern: Was geht hinein?

Der mittlere Kleinhirnstiel bringt nur Signale aus dem Pons, die dort umgeschaltet wurden. Ursprünglich stammen sie aus der Großhirnrinde, etwa aus dem Motorcortex. Als sich das Neukleinhirn ausbildete, das willkürliche Bewegungen koordiniert, brauchte es zusätzliche Informationen über geplante Bewegungen − zu diesem Zeitpunkt entstand der mittlere Kleinhirnstiel.

Die meisten Informationen aus dem Rest des Körpers laufen ansonsten durch den unteren Kleinhirnstiel: Er unterrichtet das Kleinhirn beispielsweise darüber, in welcher Stellung sich ein Bein, der Rumpf oder ein Arm gerade befinden, wie sie sich bewegen, und was das Gleichgewichtsorgan meldet. Im Einzelnen führt er Fasern aus den Vestibulariskernen, der Formatio reticularis des Hirnstamms, dem Rückenmark und der Olive. Der obere Kleinhirnstiel bringt die restlichen Signale aus dem Rückenmark. Alle eingehenden Fasern, die das Kleinhirn erreichen, enden als Kletterfasern oder als Moosfasern in der Kleinhirnrinde und werden dort Teil eines komplexen Verschaltungsnetzes.

Abführende Fasern: Was geht hinaus?

Fast jede Faser, die das Kleinhirn verlässt, stammt aus einem Kleinhirnkern. Nur wenige Fasern haben ihren Ursprung direkt in der Kleinhirnrinde. Der obere Kleinhirnstiel führt den Großteil aller abführenden Bahnen. Sie ziehen zur Formatio reticularis, zum Nucleus ruber oder über den Thalamus zur Großhirnrinde. Ein Teil der Informationen aus dem Zahnkern (Nucleus dentatus) verlässt das Kleinhirn hingegen über den unteren Stiel und endet in der Olive.

Nervenbahnen aus dem Kleinhirn erreichen über den Hirnstamm und die motorische Großhirnrinde schließlich die motorischen Neurone des Rückenmarks der gleichen Körperseite. Die rechte Kleinhirnhälfte behält demnach auch die rechte Körperhälfte im Blick. Das ist ein großer Unterschied zum Großhirn: Dort steuert die rechte Großhirnhälfte die linke Körperhälfte und umgekehrt.

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