Bildhauern mit dem Meißel der Erfahrung

Grafik: MW

Im unreifen Hirn sieht man die Netze mitunter vor lauter Synapsen nicht. Erst der Austausch mit der Umwelt sorgt dafür, das bestimmte Verbindungen gestärkt werden und sich effiziente Strukturen bilden. Der ungenutzte Rest fällt weg.

Scientific support: Prof. Dr. Petra Wahle

Published: 16.10.2015

Difficulty: intermediate

Das Wichtigste in Kürze
  • Manche funktionellen Netzwerke entstehen allein durch genetische Programme noch vor der Geburt – zum Beispiel für überlebenswichtige Fähigkeiten wie die Atmung.
  • Die Entstehung vieler anderer Netzwerke gleicht hingegen der Bildhauerei: Aus einer Fülle von verknüpften Neuronen meißeln Erfahrungen bestimmte Verbindungen heraus, bis ein schlankes Zellnetzwerk übrig bleibt.
  • Kindheit und Jungend sind sensible Phasen, in denen intensive Umbauarbeiten im Gehirn stattfinden.
  • Netzwerke bleiben auch im Erwachsenenalter formbar. Neu erlernte Fähigkeiten und Erinnerungen können Netzwerke neu bilden, sie umformen, stärken oder hemmen.
  • Die Netzwerk-Formung beschreibt die Hebbsche Lernregel: Gemeinsame Aktivität stärkt die Verbindung zwischen Zellen: Cells that fire together wire together.
  • Hinter der Lernregel verbirgt sich ein Genprogramm, das angeworfen wird, wenn zwei verknüpfte Zellen zeitnah aktiv werden. Auf diese Weise wird zum Beispiel die Synapsenstruktur und die Überlebensfähigkeit von Neuronen gestärkt.
Neuronen mit DNA-Mutationen

Die Neubildung von Nervenzellen im Gehirn passiert rasend schnell. Dies
 geht bisweilen auf Kosten der Qualität: Forscher schätzen, dass knapp 
ein Drittel aller neu gebildeten Neurone nicht den normal vorgesehenen doppelten Satz aller Chromosomen enthalten (Diploidie). Etliche Neurone zeigen Verluste von einzelnen Chromosomen oder von Teilen derselben – oder besitzen Chromosomen in Überzahl (Aneuploidie). Studien zufolge wird ein Teil dieser aneuploiden Zellen noch während der Entwicklung des Gehirns durch Zelltod eliminiert, aber viele überleben und werden Teil des erwachsenen Gehirns. Etwa zwei Prozent der Nervenzellen tragen zum Beispiel nur ein Chromosom 21, weitere zwei Prozent besitzen ein drittes Chromosom 21, auch dies zeigte eine Untersuchung. Man könnte beinah sagen, jeder von uns hat ein kleines bisschen das Down-Syndrom. Die Qualitätskontrolle bei weißen Blutkörperchen funktioniert viel besser; dort haben extrem wenige Zellen fehlerhafte Chromsosomensätze. Welche funktionellen Konsequenzen die fehlerhaften neuronalen Chromosomensätze im Hinblick auf mentale Leistungen, Psyche und Entstehung von Gehirnerkrankungen haben, ist noch völlig unbekannt. 

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Am Anfang ist der Überfluss. Im sich entwickelnden Gehirn drängen sich Neuronen und Verknüpfungen in naheezu verschwenderischer Dichte. Doch je mehr die Gehirnfunktionen reifen, desto schonungsloser werden überflüssige und schwachbrüstige Synapsen und Zellen zurückgestutzt und ausgemerzt. Übrig bleibt ein fein herausgemeißeltes Gebilde hocheffizienter Netzwerke.

Dieser Prozess beginnt vor der Geburt, formt das Gehirn bis mindestens zum Ende der Pubertät und läuft auf kleiner Flamme lebenslang weiter, wo immer Netzwerke sich weiterhin bilden und verändern. Die Mechanismen können dabei unterschiedlich sein. Während der Fötalphase ist es vor allem die im Entwicklungsprogramm genetisch festgelegte und in Raum und Zeit choreographierte Aktivität verschiedener Wachstumsfaktoren, welche die ersten Netzwerke im sich entfaltenden Nervensystem herausarbeitet. Dies gilt zum Beispiel für so genannte zentrale Mustergeneratoren. Diese Nervenzellgruppen steuern unter anderem überlebenswichtige Fähigkeiten wie die Atmung, das Saugen oder – bei Nestflüchtern wie etwa Fohlen – die Fortbewegung Sie können selbstständig rhythmische Muskelzuckungen auslösen und bestehen je nach Typ aus sich wechselseitig hemmenden Netzwerken, die jeweils unterschiedliche Muskeln stimulieren. Zum Teil werden sie durch so genannte Schrittmacherzellen gesteuert.

Obwohl zentrale Mustergeneratoren im wesentlichen fest verdrahtet sind, brauchen auch sie ein gewisses Feintuning durch externe Informationen, um im Organismus korrekt zu funktionieren. Dieses können zum Beispiel Eindrücke der Sinnessysteme sein, aber auch Erfahrungen durch Übung, etwa bei Bewegungen im Mutterleib.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Synapse

Synapse/-/synapse

Eine Synapse ist eine Verbindung zwischen zwei Neuronen und dient deren Kommunikation. Sie besteht aus einem präsynaptischen Bereich – dem Endknöpfchen des Senderneurons – und einem postsynaptischen Bereich – dem Bereich des Empfängerneurons mit seinen Rezeptoren. Dazwischen liegt der sogenannte synaptische Spalt.

Gen

Gen/-/gene

Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.

Umbauarbeiten in Kindheit und Jugend

Erst recht an Bedeutung gewinnt die Auseinandersetzung mit der Umwelt, wenn Netzwerke individuell Erlebtes kodieren und weitervermitteln. Die Entstehung solcher Strukturen spielt eine wichtige Rolle bei Lern– und Entwicklungsprozessen. Nach der Geburt gibt es Phasen besonders intensiver Bauarbeiten an den neuronalen Schaltungen. Dann ist ein angemessener Input aus der Umgebung besonders wichtig, damit die Feinjustierung solcher Ensembles zufriedenstellend abläuft. Ein Beispiel ist der Spracherwerb in der frühen und mittleren Kindheit. Erfährt ein Kind in einer sensiblen Phase zu wenig oder stark unausgewogene Stimulierung durch seine Umwelt, kann es zu Verkümmerungen seiner Fähigkeiten kommen.

Besonders spannend wird das Netzwerk-​Tuning in der Pubertät. Zu keiner Zeit im Leben laufen die Stutzarbeiten an den Knotenpunkten intensiver ab als jetzt; man spricht von einem regelrechten Umbau im Gehirn. Die in der bisherigen Entwicklung auf Vorrat angelegten Netzwerke werden nun rigoros neu modelliert, und viel „Kinderkram“ im Gehirn zugunsten kleinerer, schlankerer und effizienterer neuronaler Netze entschlackt.

Doch gleichwohl bestimmte Umbruchphasen im Gehirn sich recht zuverlässig identifizieren lassen, geht man nicht mehr davon aus, dass die Netzwerkbildung und –reifung strikt auf solche so genannten „kritische Perioden“ beschränkt ist. Plastizität bleibt auf vielen Ebenen des Gehirns auch nach Abschluss der Reifung und teilweise bis ins hohe Alter erhalten. Auch Hans kann noch lernen, wofür das Hänschen vielleicht dereinst keine Geduld hatte. Fremdsprachen, neue Musikinstrumente und andere neue Fähigkeiten, die von erheblichen Netzwerkumbauten begleitet werden, lassen sich auch im Erwachsenenalter noch einüben.

Ein schönes Beispiel hierfür lieferte eine Studie mit Taxifahrern aus London. Im Zuge ihrer vierjährigen Ausbildung erarbeiten sie sich eine umfangreiche mentale Karte der Stadt, um ihre Gäste möglichst schnell und sicher ans Ziel bringen zu können. Forscher entdeckten in einer Untersuchung, dass dieser Lernprozess auch die Hirnstruktur der Fahrer verändert: Nach der Ausbildung hatte sich in ihren Gehirnen mehr graue Substanz im Hippocampus gebildet.

Plastizität

Plastizität/-/neuroplasticity

Der Begriff beschreibt die Fähigkeit von Synapsen, Nervenzellen und ganzen Hirnarealen, sich abhängig vom Grad ihrer Nutzung zu verändern. Mit synaptischer Plastizität ist die Eigenschaft von Synapsen gemeint, ihre Erregbarkeit auf die Intensität der Reize einzustellen, die sie erreichen. Daneben unterliegen auch Größe und Vernetzungsgrad unterschiedlicher Hirnbereiche einem Wandel, der von ihrer jeweiligen Aktivität abhängt. Dieses Phänomen bezeichnen Neurowissenschaftler als corticale Plastizität.

Graue Substanz

Graue Substanz/-/gray matter

Als graue Substanz wird eine Ansammlung von Nervenzellkörpern bezeichnet, wie sie in Kerngebieten oder im Cortex (Großhirnrinde) vorkommt.

Hippocampus

Hippocampus/Hippocampus/hippocampual formatio

Der Hippocampus ist der größte Teil des Archicortex und ein Areal im Temporallappen. Er ist zudem ein wichtiger Teil des limbischen Systems. Funktional ist er an Gedächtnisprozessen, aber auch an räumlicher Orientierung beteiligt. Er umfasst das Subiculum, den Gyrus dentatus und das Ammonshorn mit seinen vier Feldern CA1-​CA4.

Veränderungen in der Struktur des Hippocampus durch Stress werden mit Schmerzchronifizierung in Zusammenhang gebracht. Der Hippocampus spielt auch eine wichtige Rolle bei der Verstärkung von Schmerz durch Angst.

Gemeinsames Handeln macht stärker

Ungeachtet des Alters liegt ein Schlüssel für die erfahrungsbedingte Bildung und Verfeinerung eines Netzwerks in der Hebbschen Lernregel. Diese formulierte der Psychologe Donald Hebb bereits 1949: Miteinander verknüpfte Neurone verstärken durch gemeinsame Aktivität die Qualität ihrer Verbindung und somit auch künftiger Signalübertragungen. Die Neurobiologin Carla Shatz fasste sie in den 90er Jahren im englischen Original etwa eingängiger zusammen: „Cells that fire together, wire together“.

Gemeinsame Aktivität bedeutet dabei nicht Gleichzeitigkeit, denn damit das Hebbsche Lernprinzip funktioniert, muss die präsynaptische Zelle etwas früher feuern, um die Aktivität der postsynaptischen Zelle zu stimulieren. Dies unterstreicht gleichzeitig eines der Kennzeichen funktioneller Ensembles: die Verknüpfung von Aktivität in einem raumzeitlichen Muster – Von neuronalen Cliquen und cortikalen Liedern.

Wie das genau funktioniert, erforscht Hilmar Bading von der Universität Heidelberg. Sein Team untersucht, was in gemeinsam aktivierten Zellen passiert, damit die Verknüpfung zwischen ihnen strukturell gestärkt und die funktionelle Zusammenarbeit in einem Ensemble begünstigt wird. „Wo Zellen zusammen feuern, schaltet dies auch Genexpression an. Struktur und Synapsendichte verändern sich, und das beeinflusst die künftige Kommunikation“, erklärt Bading.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

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Gene steuern die Neuronennetzwerke

Mehrere 100 bis 1000 Gene werden bei gemeinsam feuernden Zellen kurzfristig aktiv, also in RNA und Proteine übersetzt. Mithilfe von Chipanalysen kann man diese Genaktivität untersuchen. Manche Genprodukte etwa helfen, Synapsen strukturell zu stabilisieren. So können sie dazu beitragen, intakte Dentritenbäume instand zu halten. Oder den so genannten Pruning-​Faktor unterdrücken, der sonst dazu beiträgt, dass ineffiziente Synapsen zurückgebaut werden. Gemeinsam erhöhen diese aktivitätsbedingten Veränderungen die Chancen der beteiligten Zellen auf eine robuste Rolle im funktionellen Netzwerk.

Ebenfalls erforscht hat Bading bereits die grobe Funktionsweise eines neuroprotektiven Genprogramms, das für leistungsfähigere Mitochondrien (die Kraftwerke der Zelle) sorgt und die Produktion von Stoffen hochfährt, die zellschädigende freie Radikale neutralisieren oder das molekulare Zelltodprogramm hemmen. Wird es durch gemeinsame Zellaktivität angeworfen, erhöhen sich die Überlebenschancen der beteiligten Zellen.

Der Schlüssel zu diesen Prozessen sind Calciumsignale, die von der Synapse zum Zellkern fließen. Das funktioniert dank zahlreicher spannungssensibler Calcium-​Kanäle in den Membranen von Neuronen. Diese öffnen sich, wenn die Depolarisierungswelle eines Aktionspotenzials an ihnen vorbeirauscht und lassen Calcium von außen und aus intrazellulären Vorratskammern ins Zellplasma strömen. Von dort aus diffundiert das Calcium schnell in den Zellkern und beeinflusst dort die Genaktivität, die Netzwerken die notwendige Plastizität verleiht, um sich an die Anforderungen der Umwelt anzupassen. „Solche aktivitätsgetriebene Genexpression und die durch sie verursachten Langzeitveränderungen in der Struktur und Funktion der Nervenzelle sind absolut entscheidend für das Langzeitgedächtnis, aber auch für Sucht und chronischen Schmerz“, sagt Bading.

Um die Rolle und Plastizität von Ensembles in diesen Prozessen besser zu verstehen, nutzt sein Team den Umstand aus, dass sich die Calciumflüsse innerhalb der Neuronen hervorragend unter dem Mikroskop visualisieren lassen. Dazu bedarf es lediglich der Versorgung der untersuchten Zellen mit molekularen Markern, die fluoreszierend aufleuchten, wenn Calcium auf sie trifft. Forscher können so direkt beobachten, welche Neuronen gemeinsam aktiv werden, um ein funktionelles Ensemble zu bilden, wie stabil dieses Zusammenspiel fortan bleibt und wie es sich gegebenenfalls bei veränderten Umweltbedingungen anpasst.

Gen

Gen/-/gene

Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.

Synapse

Synapse/-/synapse

Eine Synapse ist eine Verbindung zwischen zwei Neuronen und dient deren Kommunikation. Sie besteht aus einem präsynaptischen Bereich – dem Endknöpfchen des Senderneurons – und einem postsynaptischen Bereich – dem Bereich des Empfängerneurons mit seinen Rezeptoren. Dazwischen liegt der sogenannte synaptische Spalt.

Mitochondrien

Mitochondrien/-/mitochondria

Mitochondrien sind Organellen im Inneren einer Zelle, sie werden auch als „Kraftwerk“ der Zellen bezeichnet, da sie diese mit Energie versorgen. Sie haben eine eigene DNA, die nur über die Mutter vererbt wird.

Synapse

Synapse/-/synapse

Eine Synapse ist eine Verbindung zwischen zwei Neuronen und dient deren Kommunikation. Sie besteht aus einem präsynaptischen Bereich – dem Endknöpfchen des Senderneurons – und einem postsynaptischen Bereich – dem Bereich des Empfängerneurons mit seinen Rezeptoren. Dazwischen liegt der sogenannte synaptische Spalt.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Aktionspotenzial

Aktionspotenzial/-/action potential

In erregbaren Zellen (z. B. Neuronen oder Muskelzellen) findet man sehr schnelle Änderungen des elektrischen Potenzials über der Zellmembran. Dieses Ereignis ist die Grundlage für die Informationsleitung entlang des Axons der Nervenzelle. Das Aktionspotenzial setzt sich entlang der Zellmembran fort und entsteht nach dem Alles-​oder-​Nichts-​Prinzip nur dann, wenn die Zelle ausreichend stark erregt wurde.

Plastizität

Plastizität/-/neuroplasticity

Der Begriff beschreibt die Fähigkeit von Synapsen, Nervenzellen und ganzen Hirnarealen, sich abhängig vom Grad ihrer Nutzung zu verändern. Mit synaptischer Plastizität ist die Eigenschaft von Synapsen gemeint, ihre Erregbarkeit auf die Intensität der Reize einzustellen, die sie erreichen. Daneben unterliegen auch Größe und Vernetzungsgrad unterschiedlicher Hirnbereiche einem Wandel, der von ihrer jeweiligen Aktivität abhängt. Dieses Phänomen bezeichnen Neurowissenschaftler als corticale Plastizität.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Bei der Netzwerkgeburt dabei

Gute Chancen, die Geburt neuer Ensembles live zu beobachten, bieten sich im Belohnungssystem im Mittelhirn. Denn hier setzt die Wirkung vieler Drogen an, und Drogen haben bekanntlich besonders großes Potenzial, rapide und nachhaltige neurobiologische Veränderungen zu verursachen – Von Rausch und Sucht. Bading und sein Team untersuchen nun, wie Nikotinzufuhr und die dadurch nach und nach entstehende Sucht die Neuronenaktivität im ventralen Tegmentum beeinflussen – Drang nach mehr.

Durch die Charakterisierung der beteiligten Ensembles – ihrer Entstehung und Plastizität – sowie der daran beteiligten Gene könnten sich auch Hinweise ergeben, ob und wie ein einmal gebildetes funktionelles Netzwerk sich wieder zurückbauen oder zumindest schwächen lässt. Bislang nämlich bildet das oft scheinbar unauslöschlich eingebrannte Suchtgedächtnis eine der größten Hürden auf der Suche nach Wegen aus der Abhängigkeit. Nach den Umbau– und Ausmerzexzessen der Jugend genügt es offenbar nicht mehr, ein Netzwerk schlichtweg eine Weile brachliegen zu lassen, damit es sich aufgrund mangelnder Aktivität auflöst.

Doch dies bedeutet nicht unbedingt das Ende der Plastizität, wie Studien zum Vergessen und Verlernen zeigen. Hat sich ein raumzeitliches Aktivitätsmuster scheinbar fest verdrahtet, gibt es immer noch die Möglichkeit, es mit einer neuen, hemmenden Verschaltung lahmzulegen – Verlernen? Ist schwer…

Mesolimbisches System

Mesolimbisches System/-/mesolimbic pathway

Ein System aus Neuronen, die Dopamin als Botenstoff verwenden und das entscheidend an der Entstehung positiver Gefühle beteiligt ist. Die Zellkörper liegen im unteren Tegmentums und ziehen unter anderem in die Amygdala, den Hippocampus und – besonders wichtig – den Nucleus accumbens, wo sie ihre Endköpfchen haben.

Mesencephalon

Mesencephalon/-/mecencephalon, midbrain

Das Mittelhirn ist der oberste Abschnitt des Hirnstammes. Seine Regionen liegen um das Aquädukt, einen mit Hirnflüssigkeit gefüllten Kanal. Prominente Strukturen sind das Tektum (Mittelhirndach) und das Tegmentum (Mittelhirnhaube).

Tegmentum

Tegmentum/-/tegmentum

Tegmentum (von lateinischen „tegere“ „bedecken“). Es handelt sich um den rückwärtigen, unter dem Aquädukt gelegenen Teil des Mittelhirns. Hier finden sich Kerne wie die Substantia nigra, Formatio reticularis, Hirnnervenkerne und der Nucleus ruber.

Plastizität

Plastizität/-/neuroplasticity

Der Begriff beschreibt die Fähigkeit von Synapsen, Nervenzellen und ganzen Hirnarealen, sich abhängig vom Grad ihrer Nutzung zu verändern. Mit synaptischer Plastizität ist die Eigenschaft von Synapsen gemeint, ihre Erregbarkeit auf die Intensität der Reize einzustellen, die sie erreichen. Daneben unterliegen auch Größe und Vernetzungsgrad unterschiedlicher Hirnbereiche einem Wandel, der von ihrer jeweiligen Aktivität abhängt. Dieses Phänomen bezeichnen Neurowissenschaftler als corticale Plastizität.

Gen

Gen/-/gene

Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.

zum Weiterlesen:

  • Göbel W, Helmchen F: In vivo calcium imaging of neural network function. Physiology (Bethesda). 2007 (22): 358 – 65 (zum Volltext)
  • Bading H: Nuclear calcium signalling in the regulation of brain function. Nat Rev Neurosci. 2013 (9):593 – 608 (zum Volltext)
  • Munz M et al.: Rapid Hebbian axonal remodeling mediated by visual stimulation. Science. 2014, 344(6186): 904 – 9 (zum Abstract)
  • Stevens B, et al: The classical complement cascade mediates CNS synapse elimination. Cell. 2007, Dec 14;131(6):1164 – 78 (zum Volltext).

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