Wege aus der Sucht – Ein Leitfaden für Patienten

Sucht - Leitfaden für Patienten

Sucht ist eine Krankheit mit Heilungschancen. Auf Ihrem Weg aus der Abhängigkeit steht Ihnen ein enges Netz aus Hilfsangeboten zur Seite. Gehen Sie los, es wird sich lohnen!

Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. Rainer Spanagel

Veröffentlicht: 04.11.2016

Niveau: leicht

Das Wichtigste in Kürze
  • Sucht ist eine Krankheit und keine Persönlichkeitsschwäche. Verlieren Sie sich nicht im Rausch, sondern öffnen Sie sich Ihrem Umfeld und nehmen Sie Hilfe an. 
  • Eine wichtige Voraussetzung für die Therapieteilnahme ist, dass Sie freiwillig, motiviert und einsichtig sind. Bei der Therapieplanung stehen Ihre Wünsche im Vordergrund
  • Keine Angst vor fremder Hilfe! Besonders in der Selbsthilfe erfahren Sie Respekt und Verständnis, denn hier sitzen oder saßen alle im selben Boot.
  • Sie konsumieren illegale Drogen? Auch hier wird Ihnen Hilfe zuteil, wenn Sie sie zulassen. Wie bei legalen Drogen sind Sie zum Beispiel in Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen willkommen. Hinzu kommen Angebote wie Drogenkonsumräume und Spritzentauschprogramme.
  • Sie werden sehen, ein Leben ohne das Suchtmittel ist lebenswert.

“Anfangs war es nur ein bisschen, dann wurde es immer mehr. Ich bin da so reingerutscht!” Wenn aus einem Laster Sucht geworden ist, spielt es keine Rolle, ob Sie von einer Substanz wie Alkohol oder Nikotin oder einem Verhalten wie Essen oder dem Surfen im Internet abhängig sind. Es ist auch egal, wie sich Ihre Sucht entwickelt hat, wichtig ist: Holen Sie sich Hilfe, bevor es zu spät ist!

Nur ein kurzes Hochgefühl

Endlich abschalten und den Alltag vergessen! Gelingt das nur mit Alkohol, Zigaretten oder einer Runde Glücksspiel, sollten die Alarmglocken klingeln. Das Suchtmittel – ob Substanz oder Verhalten – mag Ihnen ein Freund geworden sein, der Ihnen eine Verschnaufpause verschafft. Doch das gute Gefühl ist trügerisch, denn Probleme lassen sich so nicht lösen. Je tiefer Sie in die Sucht hineinrutschen, desto mehr besetzen Beschaffung und Konsum der Droge Ihr Denken und Verhalten. Sie vernachlässigen Freunde, Familie, Hobbys und Beruf. Dabei bietet die Sucht eine denkbar schlechte Alternative. Nicht nur das Glücksgefühl hält kurz an. Die Abhängigkeit kann Ihr gesamtes Leben ruinieren und die Lebenserwartung verkürzen.

Klare Ziele formulieren

Genaue Zielvorstellungen können helfen, den für Sie richtigen Weg aus der Abhängigkeit zu finden. Ob das Ziel Abstinenz, Substitution oder kontrollierter Konsum lautet, ist abhängig von Ihrer Persönlichkeit, Ihrem Umfeld und dem Suchtmittel. Leiden Sie zum Beispiel an einer Opiatabhängigkeit, kann dessen Wirkung durch einen Ersatzstoff wie Methadon ersetzt werden. Der berauschende Kick entfällt dadurch, aber die Entzugserscheinungen werden gelindert, wodurch das Abhängigkeitspotenzial deutlich sinkt. So können Sie sich gesundheitlich und sozial stabilisieren und beruflich integrieren. Im weiteren Verlauf sollte dann auch der Ersatzstoff langsam abgesetzt werden, um das Endziel Abstinenz zu erreichen. Ein kontrollierter Konsum birgt ein erhebliches Rückfallrisiko und nur wenige süchtige Patienten finden zu einem kontrollierten Konsum mit der Droge zurück. Jedoch kann bei vielen Patienten zunächst eine Reduktion des Konsums als erstes Therapieziel anvisiert werden. Häufig gelingt dann der Übergang in die komplette Abstinenz leichter. Bei Verhaltenssüchten wie Internet- oder Esssucht ist ein kontrolliertes Verhalten anzustreben. Hier müssen Sie lernen, wieder angemessen mit dem Internet umzugehen und Nahrung zu sich zu nehmen.

Voraussetzungen für eine Therapieteilnahme

Der Weg aus der Abhängigkeit geht meist nur über eine Therapie. Lassen Sie sich zunächst beraten: Entweder anonym per Mail oder Telefon oder persönlich im Gespräch bei einer Suchtberatungsstelle. Nehmen Sie dazu gleich einen Vertrauten zur Unterstützung mit, wenn Ihnen danach ist. Wenn Sie sich für eine Therapie entscheiden, müssen einige Bedingungen erfüllt werden: Zu aller erst wird ein Mindestmaß an Motivation und Einsicht von Ihnen erwartet. Sie müssen die Therapie freiwillig antreten und benötigen ein Gutachten von Ihrem Arzt oder Ihrer Beratungsstelle, das die Notwendigkeit der Therapie darstellt, sowie einen Sozialbericht durch die Beratungsstelle oder den Sozialdienst. Ist das erfüllt, sollte der Kostenübernahme durch die Kranken- oder Rentenversicherung beziehungsweise den Sozialhilfeträger nichts im Wege stehen. Gegen eine Ablehnung können Sie kostenlos Einspruch einlegen.

Motivation

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Ein Motiv ist ein Beweggrund. Wird dieser wirksam, spürt das Lebewesen Motivation – es strebt danach, sein Bedürfnis zu befriedigen. Zum Beispiel nach Nahrung, Schutz oder Fortpflanzung.

Therapie ja, aber wie?

Ort, Dauer und Art der Therapie hängen ab von Ihrer Verfassung sowie der Schwere und Art Ihrer Sucht. Folgende Fragen müssen Sie berücksichtigen:

  • Soll die Einrichtung in der Nähe von Familie und Freunden sein oder darf Sie je nach Spezialisierung auch etwas weiter entfernt liegen?
  • Wie lange soll die Behandlung andauern? Das kann später noch entsprechend angepasst werden.
  • Soll die Therapie ambulant, teilstationär oder stationär erfolgen?

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen sowie der Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe unterstützen Sie bei der Suche nach Therapieplätzen. Auf den Internetseiten beider Anbieter können Suchkriterien eingegeben werden, wie Ort und Art der Einrichtung, zusätzliche Erkrankungen, besondere Personengruppen und Kostenträger. Bei der letztendlichen Entscheidung durch den Kostenträger stehen Ihre Wünsche so weit wie möglich im Vordergrund.

Was passiert während der Therapie?

Bei substanzgebundenen Süchten geht es im Entzug darum, den Körper  zu entgiften. Das kann ein paar Wochen dauern. Je nach Einrichtung stehen Ihnen Sportangebote, Gruppen- oder Einzeltherapien, Psychoedukationsgruppen oder ähnliches zur Verfügung. Bei einer stationären Behandlung sind derartige Angebote inklusive.

Im zweiten und entscheidenden Schritt wird dann eine Entwöhnungstherapie angegangen. Mit Hilfe eines Psychotherapeuten gehen Sie den Ursachen für die Entstehung und Aufrechterhaltung Ihrer Abhängigkeit auf den Grund. Weiterhin werden die mit der Sucht verbundenen Gewohnheiten durch neue ersetzt. Sie lernen, dass ein Leben ohne das Suchtmittel lebenswert ist. Außerdem lernen Sie Entspannungsverfahren, um in Zukunft besser mit Stress und Problemen umzugehen, und Sie trainieren Ihre Selbsteinschätzung und Ihr Selbstbewusstsein. Oft werden hier auch Begleiterkrankungen behandelt wie Depressionen oder Angststörungen. Die Entwöhnung ist auf eine Dauer von mehreren Monaten angesetzt und kann neben Fachambulanzen oder Fachkliniken auch in zugelassenen Tageskliniken stattfinden. Hier würden Sie fünf bis sechs Tage pro Woche verbringen und für die Nacht nach Hause zurückkehren. 

Zuletzt empfiehlt sich eine Nachsorge durch Übergangswohnheime oder betreutes Wohnen, ambulante Psychotherapie oder Suchtgruppen und Rückfallprophylaxe. Bei vielen Betroffen gehören zu einer letztlich erfolgreichen Therapie auch Rückschläge dazu und das manchmal schon wenige Stunden nach der Entlassung. Dabei hatten Sie es sich so fest vorgenommen. Doch auch das ist Teil Ihrer Krankheit. Wechseln Sie die Perspektive: Der Rückfall ist eine Krisensituation, die Sie meistern können.

Depression

Depression/-/depression

Phasenhaft auftretende psychische Erkrankung, deren Hauptsymptome die traurige Verstimmung sowie der Verlust von Freude, Antrieb und Interesse sind.

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Hilfe holen bei Gleichgesinnten

In der Selbsthilfe wird Hilfe zum Selbstläufer: Als Abhängiger lernen Sie Wege und Möglichkeiten kennen, der Sucht zu entkommen, und inzwischen abstinent Lebende erinnern sich an ihre Abhängigkeit, wodurch sie Sie in Ihrem Entschluss stärken können. Was die Teilnehmer verbindet, ist die Erfahrung, und so bringen sie sich den nötigen Respekt, Verständnis und Vertrauen entgegen. Anonymität wird großgeschrieben, nichts ist peinlich. Vielmehr geht es darum, sich gegenseitig aufzufangen. Es wird auch zielgruppenspezifische Hilfe angeboten: Für Männer oder Frauen, Arbeitssuchende oder Berufstätige, Erwachsene oder Jugendliche, substanzgebundene oder Verhaltenssucht. In manchen Sitzungen bleiben die Betroffenen lieber unter sich, in anderen sind Vertrauenspersonen willkommen. Zu den großen Selbsthilfeverbänden in Deutschland gehören unter anderem Blaues Kreuz, Guttempler, Kreuzbund, Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe, Anonyme Alkoholiker und Narcotic Anonymous. Achten Sie jedoch darauf, dass bei den meisten Selbsthilfegruppen die Abstinenz im Vordergrund steht und das Bestreben nach Konsumreduktion bzw. kontrollierten Konsum abgelehnt wird.

Illegal abhängig

Besitz, Umgang und Herstellung von illegalen Drogen sind strafbar. Aber auch hier wird Ihnen Hilfe zuteil: Zum Beispiel in Drogenkonsumräumen, in denen der Konsum von illegalen Drogen in geschützter Umgebung und insbesondere mit sterilen Utensilien möglich ist. “Derzeit werden bei uns überwiegend Heroin, selten Kokain und in drei Fällen auch Crystal Meth konsumiert. Manche Konsumenten kommen mehrmals täglich”, so eine Mitarbeiterin der Suchthilfe am Kölner Hauptbahnhof. Das Angebot ist kostenfrei, es sind aber unbedingt Regeln einzuhalten: Kein Drogenhandel, nur geringe Mengen für den Eigenbedarf, Zutritt nur für volljährige Drogenabhängige, keine Erst- und Gelegenheitskonsumierende. “Darüber hinaus schließt sich unser Konsumraum direkt an den Kontaktladen an, wo Fachkräfte Beratung und Weitervermittlung anbieten”, erklärt die langjährige Sozialarbeiterin. Hinzu kommen das Spritzentauschprogramm sowie online Informationen, Selbsttests und anonyme Beratung per Chat oder E-Mail beispielsweise unter drugcom.de. Das dazugehörige Programm “quit the shit” richtet sich speziell an Konsumenten von Cannabis.

Ein engmaschiges Hilfsnetz bietet Ihnen einen Weg aus einer vermeintlich ausweglosen Situation. Vertrauen Sie sich anderen Menschen an. Sorgen zu teilen entlastet Sie und hilft anderen, Sie besser zu verstehen. Sie sind nicht schuld an Ihrer Sucht. Doch der Ausstieg liegt nun in Ihrer Verantwortung.

zum Weiterlesen:

  • Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe; URL: http://www.suchthilfe.de/ [Stand: 27.10.2016]; zur Webseite
  • Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.; URL: http://www.dhs.de/ [Stand: 27.10.2016]: zur Webseite

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