Und jetzt hat er Alzheimer... – ein Leitfaden für Angehörige

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Leitfaden für Angehörige

Die Diagnose Alzheimer ist für Betroffene und Angehörige ein Schock. Informieren Sie sich, was im gemeinsamen Alltag und bei der Pflege auf Sie zukommt. Und vergessen Sie sich selbst nicht!

Scientific support: Sabine Jansen

Published: 23.09.2013

Difficulty: intermediate

Das Wichtigste in Kürze
  • Die Diagnose Alzheimer gehört in die Hände von Spezialisten und bedarf einer umfassenden Untersuchung.
  • Leben mit Alzheimer kann zu einer großen Belastung werden – für den Betroffenen, aber auch für die Angehörigen. Informieren Sie sich daher umfassend über die Krankheit und darüber, was auf Sie zukommt, wenn Sie sich entscheiden, Ihren Angehörigen zu pflegen.
  • Die Krankenkasse übernimmt lediglich die Kosten für medizinische Behandlungen. Für Pflegekosten ist die Pflegeversicherung zuständig. Kostenübernahmen müssen beantragt werden und richten sich nach der bewilligten Pflegestufe. Unterbringungskosten im Heim sind Privatsache und müssen vom Betroffenen oder den Angehörigen selbst bezahlt werden.
  • Die Betreuung und Pflege eines Alzheimer-Patienten ist ein Vollzeit-Job – oft über viele Jahre hinweg. Gerade deswegen ist es wichtig, dass Sie Hilfe annehmen und für Auszeiten sorgen, in denen Sie auftanken können.

Wie sag ich's meinen Kindern?

Für Kinder, die in ihren Familien mit der Alzheimer-Demenz konfrontiert sind, hat die Alzheimer Forschung Initiative e.V. eine eigene Internetseite entwickelt. Hier erzählen die Kinder Katja und Max vom Leben mit ihrer demenzkranken Oma, und Comics erklären, was die Alzheimer-Krankheit überhaupt ist und was sie mit dem Gehirn macht. Außerdem können Kinder Bilder und Geschichten von ihren eigenen Erlebnissen mit dem kranken Familienmitglied einsenden (www.afi-kids.de). Für Jugendliche, die Alzheimer verstehen und helfen wollen, gibt es die Seite Alzheimer&You.


In der Rückschau hat es sich ja angekündigt. So hat er ständig Sachen verlegt und die Nachbarn mit falschem Namen angesprochen. Aber dann diese Diagnose – der Arzt sagt, es sei Alzheimer! Was kommt jetzt auf Sie zu?

Wer sagt eigentlich, dass es Alzheimer ist?

„Wenn Sie mit der Information ‚Alzheimer‘ konfrontiert werden, sollten Sie hinterfragen, woher diese Aussage überhaupt kommt“, sagt Alexander Kurz, Leiter der Gedächtnissprechstunde der Technischen Universität München. Kurz warnt eindrücklich vor dubiosen Angeboten, bei denen man einfach Blutproben zum Schnelltest einschickt. Auch Selbsttests ersetzen nicht den Arztbesuch. Morbus Alzheimer zu diagnostizieren, gehört vielmehr in die Hände von Spezialisten, etwa in speziellen Gedächtnisambulanzen und ‑sprechstunden, auch Memory-​Kliniken genannt. Dorthin kann der Hausarzt überweisen. Organisationen wie die Deutsche Alzheimer Gesellschaft können Ihnen Spezialisten und Memory-​Kliniken in Ihrer Nähe nennen.

Zeigt ein Mensch Anzeichen für Alzheimer, führen Fachärzte umfassende Untersuchungen durch: Neben der Krankheitsgeschichte, zu der auch Angehörige befragt werden, erfordert die Diagnose eine umfassende körperliche und geistige Untersuchung. Bei Analysen von Blut und Gehirnflüssigkeit fahnden Ärzte nach Hinweisen auf die Alzheimer-​Erkrankung – oder darauf, dass eine andere, möglicherweise behandelbare Ursache für die Probleme verantwortlich ist. Bildgebende Verfahren können zusätzlich Aufschluss über bereits vorhandene Veränderungen im Gehirn geben. Für sich alleine sind sie jedoch nicht aussagekräftig. (Siehe auch unseren Ratgeber „Alzheimer, was nun? – Leitfaden für Patienten“)

Morbus Alzheimer

Morbus Alzheimer, Alzheimer-Krankheit/Morbus Alzheimer/Alzheimer's desease

Bislang unheilbare Form der Demenz, erstmals beschrieben von dem deutschen Psychiater Alois Alzheimer 1906. Zu den Symptomen gehören anfangs eine milde Vergesslichkeit und Orientierungsstörungen. Später kommt es zum Beispiel zu Sprachveränderungen und Gedächtnisverlust. Die Ursache ist noch unklar, es kommt jedoch zu pathologischen Eiweißablagerungen sowohl zwischen als auch in den Zellen. Betroffen sind corticale Areale.

Demenz – und jetzt?

„Oft wird den Patienten und ihren Angehörigen nicht in aller Konsequenz vermittelt, was die Diagnose Alzheimer bedeutet“, sagt Sabine Jansen, Geschäftsführerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Sie rät daher: „Informieren Sie sich genau, was auf Sie zukommen kann – das Leben mit einer Demenz ist sowohl für den Kranken als auch für die Angehörigen eine große Herausforderung.“ Auskunft zu allen Fragen rund um Alzheimer und das Leben mit einem demenzkranken Angehörigen geben beispielsweise die speziell geschulten Mitarbeiterinnen des Alzheimer-​Telefons (030÷259 37 95 14 oder 01803/​171017).

Demenz

Demenz/Dementia/dementia

Demenz ist ein erworbenes Defizit kognitiver, aber auch sozialer, motorischer und emotionaler Fähigkeiten. Die bekannteste Form ist Alzheimer. „De mentia“ bedeutet auf Deutsch „ohne Geist“.

Lassen Sie sich helfen

Jansens zweiter wichtiger Rat: „Suchen Sie sich Unterstützung – möglichst von Anfang an, und nicht erst, wenn Sie am Rande der Erschöpfung sind.“ Einen Demenzpatienten zu betreuen und später zu pflegen ist ein Fulltime-​Job – oft über viele Jahre hinweg. Die Gefahr auszubrennen ist groß. Unterstützen können etwa professionelle Pflegedienste, die ins Haus kommen. Tagespflegeeinrichtungen entlasten Sie über mehrere Stunden, in denen Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten kümmern können oder einfach mal frei haben.

Entlastung bringen auch freiwillige Helfer, etwa Nachbarschaftshilfen oder Helferkreise. Sie begleiten den Patienten etwa zu Ausflügen in die Stadt oder in den Tierpark und werden von den jeweiligen Organisationen so ausgewählt, dass sie zu Ihren Bedürfnissen und denen Ihres kranken Angehörigen passen „Ich erinnere mich, dass einmal ein junger Mann vermittelt wurde, der mit einem Demenzkranken joggen gegangen ist“, sagt Sabine Jansen. Einige örtliche Alzheimer-​Gesellschaften oder andere soziale Einrichtungen organisieren zudem Freizeitveranstaltungen für Betroffene und ihre Angehörigen. Auskunft, welche Angebote Sie in Ihrer Nähe nutzen können, bekommen Sie beispielsweise über das Alzheimer-​Telefon.

Vielen hilft es auch, sich mit anderen Pflegenden auszutauschen: Man ist in einer ähnlichen Situation, findet Verständnis und kann sich gegenseitig Tipps geben. Erkundigen Sie sich nach geeigneten Selbsthilfegruppen in Ihrer Nähe. Vielleicht möchten Sie aber auch lieber eine spezielle Schulung besuchen? Es gibt solche Angebote, bei denen Sie mit allen Aspekten der Krankheit vertraut gemacht werden, aber auch mit Strategien, wie Sie den Alltag mit dem Patienten meistern und selbst immer wieder auftanken können. Diese Schulung ist für Angehörige kostenlos und wird von der Pflegeversicherung finanziert.

Wer soll das alles bezahlen?

Zahlreiche Gerüchte und Schreckgespenster kursieren, wenn es um die Finanzierung der Pflege geht. Fakt ist: Ehepartner, Eltern und Kinder sind einander unterhaltspflichtig. Das heißt, Sie müssen beispielsweise für die Unterbringungskosten in einem Pflegeheim aufkommen. Wie tief Sie in die Tasche greifen müssen – und wann die Sozialhilfe einspringt – hängt nicht nur von der Wahl der Pflegeeinrichtung ab, sondern auch von Ihren persönlichen Lebensumständen und finanziellen Möglichkeiten. Für eine Berechnung wenden Sie sich am besten an eine soziale Beratungsstelle oder einen Pflegestützpunkt vor Ort. Um mögliche Kosten für Heim– oder Tagespflege im Vorfeld besser zu überblicken, hilft der Pflegeplaner der Bertelsmann-​Stiftung.

Die Krankenkasse übernimmt lediglich Kosten der so genannten Behandlungspflege, also etwa Medikamente oder die Wundversorgung. Pflegekosten – sowohl personell als auch Sachleistungen – sind ein Fall für die Pflegeversicherung. Diese übernimmt außerdem einen Kostenanteil, wenn die Hauptpflegeperson ausfällt, sowie bis zu einem gewissen Grad Kosten, die durch den Umbau in der Wohnung anfallen. Leistungen müssen beantragt werden und hängen von der Pflegestufe ab, in die der Patient anhand eines Gutachtens eingeordnet wird. Wie man den Antrag Schritt für Schritt stellt und was man dabei beachten muss, erklärt beispielsweise die Seite www​.pflege​-abc​.info.

Neu ist seit dem 1. Januar 2013, dass auch Demenzkranke ohne Pflegestufe Pflegegeld oder Unterstützung durch einen ambulanten Pflegedienst erhalten. So besteht ein Anspruch auf 120 Euro Pflegegeld oder 225 Euro Pflegesachleistungen. Auch Leistungen zur Anpassung der Wohnung und bei Ausfall der Pflegeperson gibt es bereits in der so genannten Pflegestufe Null.

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Gelassenheit und Geduld

Der Alltag mit einem Demenzkranken wird Sie wahrscheinlich immer wieder an den Rand der Verzweiflung bringen. Der Betroffene verändert sich stark und taucht mehr und mehr in eine ganz eigene Welt ab. Vieles, was früher zum Alltag gehörte, ist nicht mehr möglich und vielleicht wird Ihr geliebter Partner oder Elternteil Sie eines Tages gar nicht mehr erkennen. Vielleicht wird er aggressiv oder beschuldigt Sie, ihn zu bestehlen. Machen Sie sich immer wieder klar: Das alles ist Ausdruck der Krankheit und nicht gegen Sie persönlich gerichtet. Versuchen Sie, gelassen zu bleiben, und akzeptieren Sie die Veränderungen – so helfen Sie Ihrem kranken Angehörigen, aber auch sich selbst am besten.

Denken Sie an sich selbst

Wichtig ist: Vergessen Sie bei all der Pflege und der Organisation rund um den Alltag mit Ihrem kranken Familienmitglied sich selbst nicht. Sorgen Sie für Auszeiten. Gehen Sie weiter Ihren Hobbys nach und pflegen Sie Ihre sozialen Kontakte – auch wenn Sie wegen der zeitaufwendigen Pflege sicher vieles einschränken müssen. Sorgen Sie dafür, dass in der Zwischenzeit jemand anderes einspringen kann. So könnte ein freiwilliger Helfer mit Ihrem Patienten spazieren gehen, während Sie selbst Sport treiben.

Eine weitere Möglichkeit aufzutanken, ohne den Kranken alleine zurücklassen zu müssen, sind betreute Urlaube. Sie verreisen gemeinsam, aber vor Ort besteht die Möglichkeit, dass Ihr Angehöriger während eines Teils der Zeit professionell begleitet wird. So sind Sie für ihn da, können in Ihrem wohlverdienten Urlaub aber auch mal wieder befreit durchatmen.

„Geben Sie keine Versprechen, die Sie nicht halten können“, rät Sabine Jansen außerdem. „Sagen Sie lieber: ‚Ich pflege dich, solange ich kann‘, statt sich mit einem ‚Ich gebe dich niemals ins Heim‘ selbst unter Druck zu setzen.“ Vergleichen Sie sich auch nicht mit anderen pflegenden Angehörigen. Jeder leistet, was er kann – gut oder schlecht gibt es nicht.

Und wenn Sie sich am Ende doch dazu durchringen, einen geliebten Menschen ins Pflegeheim zu geben, so kann das Ihrer Beziehung letztlich sogar zugutekommen. „Wir erleben oft, dass Angehörige durch die Entlastung und einen gewissen Abstand wieder viel besser mit dem Patienten umgehen und seine krankheitsbedingten Eigenheiten akzeptieren können“, sagt Jansen. „Dann können sie ihn zum Beispiel durch Besuche auch wieder unterstützen.“

zum Weiterlesen:

  • Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. mit ausführlichen Informationen für Betroffene und Angehörige; URL: www​.deutsche​-alzheimer​.de [Stand: 20.09.2013] zur Webseite.
  • Alzheimer Forschung Initiative e.V. mit zahlreichen Informationen für Betroffene und Angehörige; URL: www​.alzheimer​-forschung​.de [Stand: 20.09.2013] zur Webseite.

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