Gehör-Updates für Ertaubte
Als einziges Sinnesorgan lässt sich das Gehör durch eine elektronische Prothese weitgehend ersetzen. Was ein wenig nach Science Fiction und Mensch-Maschine-Mischwesen klingt, ist seit rund 25 Jahren klinischer Alltag – und ein Segen für viele Taube.
Scientific support: Prof. Frank Ohl
Published: 02.08.2012
Difficulty: serious
- Die Ursache für Taubheit liegt in vielen Fällen im Innenohr. Betroffene Patienten jeden Alters können durch Cochlea-Implantate die Hörfähigkeit prinzipiell wiedererlangen
- Die Hörprothesen stimulieren den Hörnerv in ähnlicher Weise wie ein funktionsfähiges Innenohr. Die Zerlegung in einzelne Frequenzen, normalerweise durch die Anatomie des Gehörgangs gewährleistet, übernimmt ein kleiner Computer
- Cochlea-Implantate ermöglichen in vielen Fällen gutes Sprachverständnis. Das Ergebnis hängt allerdings nicht nur von der Technik ab, sondern auch davon, in welchen Entwicklungsphasen dem Gehirn Sinneseindrücke vom Gehör zur Verfügung standen. Ideal ist eine schnelle Versorgung, etwa direkt nach der Geburt oder zeitnah nach einer späteren Ertaubung
- An ein gesundes, natürliches Gehör reichen Cochlea-Implantate trotz allem längst nicht heran. Probleme gibt es etwa bei lauten Hintergrundgeräuschen sowie beim Musikhören
Hörnerv
Hörnerv/Nervus cochlearis/auditory nerve
Die Haarzellen des Corti-Organs erregen Neurone des Spiralganglions, das im Hohlraum der Hörschnecke liegt. Deren Axone bilden den Hörnerv, der die elektrischen Impulse vom Innenohr ins Gehirn leitet. Gemeinsam mit dem Gleichgewichtsnerv (Nervus vestibularis) bildet der Hörnerv den VIII. Hirnnerv.
- Experten schätzen, dass mittlerweile rund eine Viertelmillion Menschen weltweit ein oder zwei Cochlea-Implantate tragen. Allein in Deutschland kommen laut DCIG jährlich über 2.000 Patienten aller Altersstufen hinzu. Der Preis dafür, ein taubes Ohr wieder zum Leben zu erwecken, liegt bei rund 30.000 Euro – Material und Rehabilitation eingeschlossen. Die Rechnung zahlt in der Regel die Krankenkasse. Studien bescheinigen der Therapie großen Erfolg: Bis auf wenige Ausnahmen steigen Sprachverständnis und Lebenszufriedenheit der Patienten signifikant
- Die Implantation selbst kann in zahlreichen Kliniken durchgeführt werden und ist keine besonders schwerwiegende Operation: Heute genügen ein fast unsichtbarer Schnitt hinter dem Ohr und eine etwa zweistündige Vollnarkose. Gegenüber anderen HNO-Eingriffen bringt die OP keine besonderen Risiken mit sich. Zudem kann mittlerweile so operiert werden, dass ein eventuell vorhandenes, natürliches Resthörvermögen erhalten bleibt. So wurde auch der Kreis der Patienten, für die eine Versorgung per Cochlea-Implantat in Betracht kommt, immer größer. Der Trend geht außerdem zur beidseitigen Versorgung, was zwar längst keine Verdopplung, aber doch eine gewisse Verbesserung der Hörfähigkeit bringt
Ohr
Ohr/Auris/ear
Das Ohr ist nicht nur das Organ des Hörens, sondern auch des Gleichgewichts. Unterschieden werden das äußere Ohr mit Ohrmuschel und äußerem Gehörgang, das Mittelohr mit Trommelfell und den Gehörknöchelchen sowie das eigentliche Hör– und Gleichgewichtsorgan, das Innenohr mit der Gehörschnecke (Cochlea) und den Bogengängen.
- Für Patienten, denen auch ein funktionstüchtiger Hörnerv fehlt, wurde ein weitergehender Typ von Prothese entwickelt: Implantate, welche die Impulse auf technischem Weg direkt bis ins Hirn übertragen – entweder an die Stelle im Hirnstamm, wo normalerweise die vom Hörnerv eintreffenden Signale umgeschaltet werden, oder sogar noch eine Stufe höher ins Mittelhirn. Die Operationen werden dadurch allerdings deutlich komplizierter und die Ergebnisse schlechter im Vergleich zu Cochlea-Implantaten
Hörnerv
Hörnerv/Nervus cochlearis/auditory nerve
Die Haarzellen des Corti-Organs erregen Neurone des Spiralganglions, das im Hohlraum der Hörschnecke liegt. Deren Axone bilden den Hörnerv, der die elektrischen Impulse vom Innenohr ins Gehirn leitet. Gemeinsam mit dem Gleichgewichtsnerv (Nervus vestibularis) bildet der Hörnerv den VIII. Hirnnerv.
Mesencephalon
Mesencephalon/-/mecencephalon, midbrain
Das Mittelhirn ist der oberste Abschnitt des Hirnstammes. Seine Regionen liegen um das Aquädukt, einen mit Hirnflüssigkeit gefüllten Kanal. Prominente Strukturen sind das Tektum (Mittelhirndach) und das Tegmentum (Mittelhirnhaube).
Moment, war da nicht ein Geräusch? Jaimie Sommers, blond, attraktiv, spitzt ihr rechtes Ohr – und bekommt nun Wort für Wort mit, wie die Schurken in ein paar hundert Meter Entfernung ihren teuflischen Plan aushecken. So ähnlich geschieht es immer wieder in der US-Fernsehserie „Die Sieben-Millionen-Dollar-Frau“ („The Bionic Woman“). Und da nach einem schrecklichen Fallschirm-Unfall nicht nur Sommers‘ Ohr, sondern auch ein Arm und beide Beine durch High-Tech-Prothesen ersetzt wurden, weiß die nunmehr bärenstarke, bis zu 100 Stundenkilometer schnell laufende Agentin die bösen Pläné auch effektiv zu durchkreuzen.
So flimmert die „Sieben-Millionen-Dollar-Frau“ seit den 1970er Jahren über die TV-Schirme und machte wie viele andere Science-Fiction-Geschichten die Idee vom Cyborg populär: Einem Menschen, der seine Leistungen mit implantierten Maschinen steigert. Das erscheint visionär, dabei ist die Sache mit dem „bionischen“ Ohr nicht weit von der Realität entfernt: Bereits vor über einem halben Jahrhundert experimentierten HNO-Spezialisten damit, den Hörnerv Ertaubter in der Cochlea, der Gehörschnecke im Innenohr, elektrisch zu stimulieren. Im Lauf der 1980er Jahre dann fanden entsprechende Prothesen den Weg in den klinischen Alltag.
Ohr
Ohr/Auris/ear
Das Ohr ist nicht nur das Organ des Hörens, sondern auch des Gleichgewichts. Unterschieden werden das äußere Ohr mit Ohrmuschel und äußerem Gehörgang, das Mittelohr mit Trommelfell und den Gehörknöchelchen sowie das eigentliche Hör– und Gleichgewichtsorgan, das Innenohr mit der Gehörschnecke (Cochlea) und den Bogengängen.
Hörnerv
Hörnerv/Nervus cochlearis/auditory nerve
Die Haarzellen des Corti-Organs erregen Neurone des Spiralganglions, das im Hohlraum der Hörschnecke liegt. Deren Axone bilden den Hörnerv, der die elektrischen Impulse vom Innenohr ins Gehirn leitet. Gemeinsam mit dem Gleichgewichtsnerv (Nervus vestibularis) bildet der Hörnerv den VIII. Hirnnerv.
Vögel zwitschern wieder
Zu den ersten Patienten in Deutschland gehörten Hanna und Franz Hermann. Sie bekamen ihre Cochlea-Implantate 1984 und 1985, 15 beziehungsweise sechs Jahre nach dem Verlust ihres Gehörs. Heute kann man mit dem ehemals tauben Ehepaar problemlos telefonieren. „Ab und zu muss ich halt mal nachfragen“, sagt Franz Hermann. „Aber wer muss das nicht? “ Obwohl längst im Rentenalter, sind beide stark engagiert: Er ist Präsident der Deutschen Cochlear Implant Gesellschaft, die Patienten beraten und unterstützen will. Sie ist Chefredakteurin der Zeitschrift „Schnecke – Leben mit CI & Hörgerät“. Mit CI kürzt der Insider das Cochlea-Implantat ab.
Begeistert erzählt Franz Hermann von den Highlights seines Implantats – etwa, dass er sich bei Spaziergängen wieder an Blätterrauschen und Vogelgezwitscher erfreuen könne. Und er berichtet, wie Patienten vom gehörlosen Neugeborenen bis zur taub gewordenen Mittachzigerin von den Hörprothesen profitieren: Betroffenen Kindern werde eine quasi normale Sprachentwicklung und der Besuch einer gewöhnlichen Schule ermöglicht. Eine alte Dame habe ihm geschrieben: „Endlich kann ich wieder in die Oper gehen. “ Aufregen kann sich Franz Hermann, wenn er wieder von einem Patienten erfährt, der nicht weiß, dass ein Cochlea-Implantat ihm helfen könnte. Etwa weil er das Pech hatte, an einen Arzt zu geraten, der die Option aus Unwissenheit oder Vorurteilen verschwieg.
Taube, die fast normal hören: Wie ist das möglich? In einem gesunden Gehör wird der Schall über die Knöchelchen im Mittelohr ins Innenohr übertragen. In der Gehörschnecke registrieren bestimmte Sinneszellen, die Haarzellen, die Vibrationen und übersetzen sie in Nervenimpulse. Diese elektrischen Reize werden dann über den Hörnerv ans Gehirn weitergeleitet.
Mittelohrraum
Mittelohr/Auris media/middle ear
Mit dem Trommelfell beginnt das Mittelohr. Dort übertragen die Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel die Vibration der Schallwelle über das runde Fenster an das Innenohr. Das Mittelohr ist luftgefüllt.
Hörnerv
Hörnerv/Nervus cochlearis/auditory nerve
Die Haarzellen des Corti-Organs erregen Neurone des Spiralganglions, das im Hohlraum der Hörschnecke liegt. Deren Axone bilden den Hörnerv, der die elektrischen Impulse vom Innenohr ins Gehirn leitet. Gemeinsam mit dem Gleichgewichtsnerv (Nervus vestibularis) bildet der Hörnerv den VIII. Hirnnerv.
Nur eine Operation
Taubheit hat häufig den Grund, dass die Haarzellen ihrer Aufgabe nicht nachkommen. In diesen Fällen kann eine Prothese in der Cochlea helfen. Das eigentliche Implantat ist ein länglicher Träger, der in die Gehörschnecke geschoben wird. Er enthält, je nach Hersteller, bis zu 22 Elektroden, die Endigungen des Hörnervs anregen. Die Gehörschnecke ist entlang ihrer Windungen für unterschiedliche Frequenzen empfindlich. Vom einfachen Wackeln zur wunderbaren Vielfalt der Klänge. Deshalb braucht es möglichst viele Elektroden, die über die gesamte Länge der Cochlea verteilt sind. So können die Patienten viele verschiedene Tonhöhen empfinden.
Errechnet und erzeugt werden die notwendigen elektrischen Impulse in einem außerhalb des Körpers getragenen Gerät, dem sogenannten Sprachprozessor. Ganz so elegant und kompakt wie das Ohr von „Bionic Woman“ (beziehungsweise wie das biologische Original) ist die Prothese also noch nicht. Heutige Sprachprozessoren sind allerdings nicht einmal mehr fingergroß und werden ähnlich einem Hörgerät hinter der Ohrmuschel getragen. Durch die Kopfhaut werden die Signale drahtlos übertragen: Zum Implantat gehört eine Empfangsspule mit Magnet, die hinter dem Ohr unter der Haut platziert ist. Der Sprachprozessor wiederum ist mit einer Sendespule verbunden, die an der Stelle mit der Empfangsspule anhaftet wie ein Magnet an der Kühlschranktür.
Die Zweiteilung des Cochlea-Implantat-Systems hat viele Vorteile: Eine Kabeldurchführung durch die Haut und somit ein erhöhtes Infektionsrisiko entfällt. Der im Körper befindliche Teil ist passiv, braucht also keine Batterie und auch sonst keine Wartung. So sind nach der Implantation normalerweise keine Operationen mehr nötig Hanna Hermann zum Beispiel trägt ihr 1985 eingesetztes Implantat bis heute unverändert, das ihres Mannes musste aufgrund eines Defekts einmal ersetzt werden. Jederzeit dagegen kann man den Sprachprozessor abnehmen – mit einem Handgriff. Das ist nicht nur beim Duschen oder Schlafen praktisch, sondern ermöglicht auch Updates durch simplen Austausch.
Haarzellen
Haarzellen/-/hair cells
Sinneszellen des Innenohres, die sich im Corti-Organ und in den Bogengängen befinden. Die Haarzellen sind für die Transduktion (Umwandlung) der Schwingungen in elektrische Potentiale zuständig. Jede dieser Sinneszellen besitzt ca. 100 unterschiedliche lange, haarähnliche Ausstülpungen, die Stereozilien. Diese sind miteinander verbunden. Die Bewegung dieser Stereozilien durch die Schwingungen ist der eigentliche Schlüssel in der Signaltransduktion der Haarsinneszellen.
Cochlea
Cochlea/-/cochlea
Die Cochlea (Hörschnecke) ist der Teil des Innenohres, in dem sich das Cortische Organ befindet, welches für die Umwandlung akustischer Signale in Nervenimpulse zuständig ist.
Ohr
Ohr/Auris/ear
Das Ohr ist nicht nur das Organ des Hörens, sondern auch des Gleichgewichts. Unterschieden werden das äußere Ohr mit Ohrmuschel und äußerem Gehörgang, das Mittelohr mit Trommelfell und den Gehörknöchelchen sowie das eigentliche Hör– und Gleichgewichtsorgan, das Innenohr mit der Gehörschnecke (Cochlea) und den Bogengängen.
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Stimmen wie Donald Duck
Tatsächlich ist es für langjährige Patienten in der Vergangenheit immer wieder zu sprunghaften Verbesserungen gekommen, wie Sebastian Hoth erzählt. Der Physiker ist seit fast 30 Jahren Audiologe an der Uniklinik Heidelberg. Er kümmert sich bei Patienten mit Cochlea-Implantat um die individuelle Feineinstellung der Sprachprozessoren. Hoth berichtet, dass die Patienten in der Anfangszeit bestenfalls die verschiedenen Vokale unterscheiden konnten – und das mit großen und schweren Geräten, die wie ein Walkman am Gürtel getragen werden mussten.
„Heute codieren die Sprachprozessoren dank leistungsfähigerer Technik viel mehr Details des Schallsignals“, sagt Sebastian Hoth. „Trotzdem: Prothese bleibt Prothese. “ Vom normalen menschlichen Gehör – und erst recht von den Super-Fähigkeiten von „Bionic Woman“ – ist das elektrische Ohr weit entfernt. Die künstlichen Reizimpulse haben allenfalls entfernte Ähnlichkeit mit den Signalen, die ein gesundes Ohr im Hörnerv erzeugt. Stimmen hören sich etwa, so beschreiben es Betroffene, nach Robotern an, wie Donald Duck oder wie kämpfende Eichhörnchen. Im Netz verfügbare Simulationen geben Normalhörern einen gewissen Eindruck davon (link). Wer ein Cochlea-Implantat bekommt, muss das Hören deshalb bei einem Reha-Aufenthalt gewissermaßen neu lernen. Und wird spätestens bei lauten Hintergrundgeräuschen, etwa am Bahnhof oder in der Kneipe, an die Grenzen des Sprachverständnisses stoßen.
Besonders drastisch ist der Unterschied zum normalen Gehör bei Musik. Ein Cochlea-Implantat kann je nach Hersteller bis zu 22 verschiedene Tonhöhen übermitteln. Zum Vergleich: Ein Klavier hat 88 Tasten, und damit sind die Fähigkeiten des Hörsinns längst nicht erschöpft, wie jedes verstimmte Instrument beweist. Anschaulich beschreibt diese eingeschränkte Musik-Wahrnehmung der US-amerikanische Publizist Michael Chorost. Vor seinem vollständigen Gehörverlust hatte er Ravels „“Bolero“ lieben gelernt. Über seine Hörversuche mit Cochlea-Implantat schreibt er reichlich konsterniert (link): „Flöten und Sopransaxofone klangen, als ob sie unter Kissen erdrückt würden. Oboen und Geigen waren zu einem Knarzen verkommen. Es war, wie wenn ein Farbenblinder durch eine Paul-Klee-Ausstellung läuft. “
Das ist zehn Jahre her. Seither wurde die Technik so weit verfeinert, dass Chorost seinen Bolero wieder genießen kann. Auch andere Implantat-Träger haben Spaß an Musik, allerdings sollte sie nicht zu komplex aufgebaut sein und am besten im Freien, wo es keinerlei Hall gibt, dargeboten werden.
Ohr
Ohr/Auris/ear
Das Ohr ist nicht nur das Organ des Hörens, sondern auch des Gleichgewichts. Unterschieden werden das äußere Ohr mit Ohrmuschel und äußerem Gehörgang, das Mittelohr mit Trommelfell und den Gehörknöchelchen sowie das eigentliche Hör– und Gleichgewichtsorgan, das Innenohr mit der Gehörschnecke (Cochlea) und den Bogengängen.
Hörnerv
Hörnerv/Nervus cochlearis/auditory nerve
Die Haarzellen des Corti-Organs erregen Neurone des Spiralganglions, das im Hohlraum der Hörschnecke liegt. Deren Axone bilden den Hörnerv, der die elektrischen Impulse vom Innenohr ins Gehirn leitet. Gemeinsam mit dem Gleichgewichtsnerv (Nervus vestibularis) bildet der Hörnerv den VIII. Hirnnerv.
Hören neu lernen
Grenzen werden den Hörprothesen allerdings nicht nur durch die Technik auferlegt. Noch fundamentaler sind Hindernisse, die am anderen Ende der Leitung auftreten können. „Letztlich hören wir ja nicht mit den Ohren, sondern mit dem Gehirn“, sagt Franz Hermann – und das passt sich mit entsprechender Übung an vieles, aber längst nicht an alles an. Wer von klein auf mit Implantat gehört habe, sei etwa problemlos von hinten ansprechbar, erzählt Hermann. Bei ihm und seiner Frau verhalte es sich das anders: „Wenn sie vor mir läuft und ich sie rufe, reagiert sie nicht. “. Zwar könne sie seine Stimme im Prinzip hören. Aber das Gehirn habe durch die langjährige Taubheit verlernt, Rufern außerhalb des Gesichtsfelds Beachtung zu schenken. „Allerdings können wir uns leicht behelfen: Wenn ich vor dem Rufen pfeife, ist das ungewöhnlich genug, damit sie darauf aufmerksam wird. “
Welches Hörvermögen ein Patient mit Cochlea-Implantat erreicht, hängt also zu einem großen Teil von seiner Hörbiografie ab: Wie lange war er taub? Und, noch wichtiger: Hat er bestimmte Schlüsselphasen der Gehirnentwicklung hörend oder taub durchlebt? So hat sich gezeigt, dass die ersten zwei bis drei Lebensjahre für den Spracherwerb essenziell sind. Ist ein Kind in dieser Zeit taub, bildet sich in seinem Cortex auch kein Hörzentrum aus. Die brachliegenden Areale werden für andere Aufgaben herangezogen. Ein solcher Patient wird später auch mit der besten Prothese nicht mehr lernen können, Sprache allein übers Hören zu verstehen.
Aber auch wenn Cochlea-Implantate gewisse Begrenzungen nicht sprengen können: Ein Sinnesorgan durch menschengemachte Technik alltagstauglich zu ersetzen, bleibt eine bahnbrechende, bislang einzigartige Errungenschaft. So musste die Hörprothese im Laufe ihrer Erfolgsgeschichte denn auch immer wieder als Auslöser von Cyborg-Fantasien herhalten. Der cybernetic organism – das Mischwesen aus Mensch und Maschine – ist es dank Cochlea-Implantat nicht schon Wirklichkeit geworden?
Der Philosoph Oliver Müller von der Universität Freiburg, Autor des Buches „Zwischen Mensch und Maschine“, winkt ab. Zwar gebe es keine allgemeinverbindliche Definition, aber: „Die Cyborg-Idee geht über Ersatz und Therapie hinaus. Sie will die natürliche menschliche Lebensform übersteigern, um den Menschen für neue Herausforderungen fit zu machen. “ Solch eine Verbesserung, im Forscher-Jargon Enhancement genannt, leisten aber reale Cochlea-Implantate nicht. Ganz im Unterschied zum Ohr von „Bionic Woman“.
Die Begeisterung von Implantat-Trägern braucht das freilich nicht zu mindern. Unbeleckt von den Debatten zwischen Transhumanisten, die im technischen Enhancement das Heil der Menschheit sehen, und Biokonservativen, denen die Cyborgisierung ein Synonym für den Niedergang ist, können sie sich freuen: Ihre Therapie ist praktisch nebenwirkungsfrei und zudem ethisch weitgehend unstrittig. Sie besitzen eine Prothese, die ihnen den wohl wichtigsten zwischenmenschlichen Kommunikationsweg offen hält – das Gespräch. Zudem verheißt das Cochlea-Implantat ihrem Gehör statt des üblichen Nachlassens im Alter eine rosige Zukunft dank technischer Updates.
Cortex
Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex
Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.
Ohr
Ohr/Auris/ear
Das Ohr ist nicht nur das Organ des Hörens, sondern auch des Gleichgewichts. Unterschieden werden das äußere Ohr mit Ohrmuschel und äußerem Gehörgang, das Mittelohr mit Trommelfell und den Gehörknöchelchen sowie das eigentliche Hör– und Gleichgewichtsorgan, das Innenohr mit der Gehörschnecke (Cochlea) und den Bogengängen.
zum Weiterlesen:
- Not quite like Beethoven: Deutschsprachiges Blog eines Betroffenen; URL: http://notquitelikebeethoven.wordpress.com/ [Stand: 04.04.2009]; zur Webseite.
- Umfangreiche Patienteninformation zu Cochlea-Implantaten; URL: http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Info-Broschuere-CI.126274.0.html [Stand: 02.2010]; zur Webseite.
- Adressliste CI-Kliniken vom Deutschen Schwerhörigenbund e.V.; zur Webseite