Früh geborenen Nervenzellen stehen viele Wege offen

© Alessandro Petese/Uni Bonn
Die Rotfärbung macht sämtliche dopaminergen Neuronen des Mittelhirns einer Maus sichtbar. Grün leuchten dagegen nur diejenigen dopaminergen Nervenzellen auf, die relativ spät in der Embryonalentwicklung entstanden sind.

Bei den Royals ist die Sache klar: Das erste Kind der Monarchin oder des Monarchen erbt die Krone. Später geborene Geschwister müssen mit einem weniger glamourösen Beruf Vorlieb nehmen. Bei manchen Nervenzellen im Gehirn ist das ganz ähnlich. Bei ihnen entscheidet zwar nicht die Reihenfolge ihrer Geburt, aber zumindest der Zeitpunkt ihrer Entstehung über ihre weitere Karriere. Das zeigt eine aktuelle Studie am Institut für Rekonstruktive Neurobiologie der Universität Bonn. Die Ergebnisse wurden an Mäusen gewonnen; inwieweit sie sich auf den Menschen übertragen lassen, ist daher noch offen. Sie sind nun in der Zeitschrift eNeuro erschienen.

Source: Universitätsklinikum Bonn

Published: 16.08.2022

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben in ihrer Studie einen spezifischen Typ von Zellen untersucht: die dopaminergen Neurone im Mittelhirn. Ihren etwas sperrigen Namen verdanken sie der Fähigkeit, Dopamin zu produzieren. Der Botenstoff spielt bei der Signalübertragung zwischen bestimmten Nervenzellen eine wesentliche Rolle. Der Verlust dopaminerger Neurone kann daher etwa zur Parkinson-Erkrankung mit ihren charakteristischen Defiziten bei Bewegungsabläufen führen.

Die dopaminergen Neurone im Mittelhirn sind nicht alle gleich. „Wir kennen heute eine ganze Reihe von unterschiedlichen Typen, die sehr wahrscheinlich alle spezifische Aufgaben im Gehirn erfüllen“, erklärt Prof. Dr. Sandra Blaess vom Institut für Rekonstruktive Neurobiologie. „Sie entsenden sehr lange Nervenfasern, Axone genannt, in verschiedene Hirnbereiche. Über diese Fasern transportieren sie unter anderem Dopamin in die jeweilige Zielregion.“ Dennoch stammen die meisten dieser Typen vermutlich von denselben Vorläuferzellen ab. „Wir wollten wissen, wie sich aus diesen Vorläufern die verschiedenen Gruppen dopaminerger Zellen entwickeln, ohne die das Gehirn nicht funktionieren würde.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Mesencephalon

Mesencephalon/-/mecencephalon, midbrain

Das Mittelhirn ist der oberste Abschnitt des Hirnstammes. Seine Regionen liegen um das Aquädukt, einen mit Hirnflüssigkeit gefüllten Kanal. Prominente Strukturen sind das Tektum (Mittelhirndach) und das Tegmentum (Mittelhirnhaube).

Dopamin

Dopamin/-/dopamine

Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff des zentralen Nervensystems, der in die Gruppe der Catecholamine gehört. Es spielt eine Rolle bei Motorik, Motivation, Emotion und kognitiven Prozessen. Störungen in der Funktion dieses Transmitters spielen eine Rolle bei vielen Erkrankungen des Gehirns, wie Schizophrenie, Depression, Parkinsonsche Krankheit, oder Substanzabhängigkeit.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Axon

Axon/-/axon

Das Axon ist der Fortsatz der Nervenzelle, der für die Weiterleitung eines Nervenimpulses zur nächsten Zelle zuständig ist. Ein Axon kann sich vielfach verzweigen, und so eine Vielzahl nachgeschalteter Nervenzellen erreichen. Seine Länge kann mehr als einen Meter betragen. Das Axon endet in einer oder mehreren Synapse(n).

Entstehungszeitpunkt bestimmt Karriereweg

Von anderen Nervenzellen weiß man schon länger, dass es vom Zeitpunkt ihrer Entstehung abhängt, welche Karriere sie einschlagen. „Wir haben untersucht, ob das bei den dopaminergen Neuronen ebenfalls der Fall ist“, sagt Alessandro Petese, der in der Arbeitsgruppe von Prof. Blaess promoviert. „In Mäusen dauert es vier bis fünf Tage, bis sich sämtliche Vorläuferzellen zu dopaminergen Neuronen umgewandelt haben. Wir wollten wissen: Unterscheiden sich die Neurone, die an Tag eins entstehen, von denen, die sich an Tag zwei, drei oder vier bilden.“

Dazu markierten die Forschenden die Vorläuferzellen zu verschiedenen Zeiten so, dass sämtliche Neurone, die in den Folgetagen aus diesen gefärbten Vorläuferzellen hervorgingen, unter dem Mikroskop grün aufleuchteten. Diejenigen Nervenzellen, die bereits zuvor aus ungefärbten Vorläufern entstanden waren, blieben dagegen dunkel. „Auf diese Weise haben wir festgestellt, dass früh geborene Zellen sich noch in sämtliche Typen von dopaminergen Neurone im Mittelhirn entwickeln können“, sagt Blaess‘ Mitarbeiterin Franca Fries. Bildlich gesprochen, können diese Zellen also noch sehr unterschiedliche Karrierewege beschreiten. „Je später sie jedoch geboren werden, desto mehr verengen sich ihre Möglichkeiten. Sie werden also immer spezialisierter.“ An Tag vier der Differenzierungsphase erreichte dieser Prozess seinen Höhepunkt: dopaminerge Neuronen, die an diesem Tag entstanden, gehörten nur zu einigen wenigen Subtypen.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Mesencephalon

Mesencephalon/-/mecencephalon, midbrain

Das Mittelhirn ist der oberste Abschnitt des Hirnstammes. Seine Regionen liegen um das Aquädukt, einen mit Hirnflüssigkeit gefüllten Kanal. Prominente Strukturen sind das Tektum (Mittelhirndach) und das Tegmentum (Mittelhirnhaube).

Grundlagenforschung mit Relevanz für die Praxis

Die Arbeitsgruppe will nun untersuchen, welche Signale es sind, die die Vorläuferzellen mehr und mehr in eine bestimmte Richtung zwingen. „In der rekonstruktiven Neurobiologie versucht man heute, Neuronen aus Stammzellen herzustellen“, sagt Blaess, die auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich „Leben und Gesundheit“ an der Universität Bonn ist. „Denn dann lassen sich im Labor gezielt Nervenzelltypen nachzüchten, mit denen man den Verlust der Zellen, wie er etwa in der Parkinson-Erkrankung auftritt, möglicherweise beheben könnte.“ Dazu ist es wichtig, die Prozesse zu verstehen, die bei der natürlichen Differenzierung stattfinden.

Die Ergebnisse aus der Studie könnten es zudem ermöglichen, in Mäusen gezielt bestimmte Typen dopaminerger Zellen auszuschalten. So lassen sich eventuell neue Einblicke in die Mechanismen verschiedener Krankheiten gewinnen, in denen Veränderungen im dopaminergen System eine Rolle spielen – von der Depression über die Schizophrenie bis hin zur Parkinson-Erkrankung.

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Depression

Depression/-/depression

Phasenhaft auftretende psychische Erkrankung, deren Hauptsymptome die traurige Verstimmung sowie der Verlust von Freude, Antrieb und Interesse sind.

Originalpublikation

Alessandro Petese, Franca L. Fries, Bianca Broske, Ralf Stumm und Sandra Blaess: Lineage analysis of Cxcr4-expressing cells in the developing midbrain suggests that progressive competence restriction in dopaminergic progenitor cells contributes to the establishment of dopaminergic neuronal diversity; eNeuro; DOI: https://doi.org/10.1523/ENEURO.0052-22.2022

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