Question to the brain

Was können Spiegelneurone leisten?

Questioner: ein User via Email

Published: 11.04.2015

Spiegelneurone galten lange als Stars unter den Nervenzellen. Doch was können sie tatsächlich leisten?

The editor's reply is:

Jasminka Majdandžić, Empathieforscherin am Institut für Psychologische Grundlagenforschung und Forschungsmethoden der Universität Wien: Spiegelneurone wurden in den neunziger Jahren bei Experimenten mit Affen entdeckt. Damals maßen Wissenschaftler die Aktivität von einzelnen Nervenzellen im prämotorischen Cortex bei Makaken. Zufällig stellten sie fest, dass bestimmte Neurone sowohl feuern, wenn der Affe selbst eine bestimmte Bewegung macht, als auch wenn der Affe jemanden bei der gleichen Bewegung beobachtet. Manche der Nervenzellen schienen dabei das Ziel einer Bewegung zu kodieren. Sie feuern zum Beispiel nur, wenn der Affe nach etwas griff, um es zu essen. Die Ergebnisse lösten große Begeisterung aus. Forscher vermuteten, dass diese Neurone uns ermöglichen, die Ziele und Intentionen von anderen zu erkennen. Die Idee: Wenn ich eine Bewegung sehe, simuliere ich sie in meinem eigenen motorischen System. Dadurch weiß ich, wie sie sich anfühlt und kann verstehen, was in der anderen Person vorgeht.

Doch es gibt ein paar Probleme mit dieser Annahme: Erstens ist schon der Begriff Spiegelneurone irreführend. Wenn die Neurone wirklich spiegeln, was ich sehe, dann geben sie die genauen Bewegungen wieder, aber nicht automatisch die Absicht dahinter. Denn aus dem, was ich sehe, kann ich nicht unbedingt auf die Ziele von jemandem schließen. Wenn sie hingegen wirklich die Ziele von anderen erfassen können, können wir nicht mehr von „Spiegeln“ reden. Dann muss dieses Ziel schon vorher anhand der wahrgenommenen Bewegung erkannt worden sein.

Zweitens gibt es für die Funktion der Spiegelneurone wenig Belege. Wir können nicht mal sicher sagen, ob auch Menschen Spiegelneurone besitzen. Zwar haben Wissenschaftler bei Operationen am menschlichen Gehirn Nervenzellen gefunden, die ähnliche Eigenschaften haben. Dennoch gibt es für Spiegelneurone beim Menschen insgesamt viel weniger Belege als beim Affen. Es gibt zwar durchaus starke Hinweise, dass auch Menschen, wenn sie Bewegungen bei anderen wahrnehmen, diese in ihrem eigenen motorischen System durchspielen. Menschen, die anderen bei bestimmten Bewegungen zuschauen, aktivieren ein wenig die gleichen Muskeln, ohne dass sie die Bewegung ausführen. Auch aktivieren Menschen teilweise überlappende Gehirnareale, wenn sie selber eine Bewegung machen und wenn sie jemand anderem bei dieser Bewegung beobachten. Bisher konnten Forscher jedoch nicht zeigen, dass wir durch diese Aktivierungen Intentionen besser verstehen.

Die Spiegelneurone bei Affen sind zudem bereits aktiv, unmittelbar bevor sie die Bewegung sehen. Vermutlich entwirft unser Gehirn eine grobe Idee, was passieren wird, und simuliert diese. Anhand dieser Vorhersage können wir schneller erkennen, wenn etwas Unerwartetes passiert. Das scheint ein genereller Mechanismus zu sein, der uns bei der Wahrnehmung hilft. Denn diese motorische Simulation findet nicht nur statt, wenn wir andere Menschen beobachten, sondern auch, wenn wir sich bewegende Punkte oder Maschinen sehen.

In den Medien werden Spiegelneurone oft mit Empathie in Verbindung gebracht. Tatsächlich ist das Prinzip ähnlich. Ich simuliere, wie es jemandem geht. Wenn jemand Schmerzen hat, dann aktiviere ich Areale in meinem Gehirn, die auch bei mir bei Schmerzen aktiviert wären. Das sind zwar andere Bereiche als die motorischen Areale der Spiegelneurone, aber das Prinzip ist gleich. Doch die Frage ist, was diese überlappende Aktivierung bedeutet: Braucht man diese Prozesse, um Empathie zu empfinden? Oder ist die Aktivität nur ein Ergebnis des Mitgefühls? Zudem sind diese Areale zwar klassisch bei Schmerzen involviert, aber nicht nur. Es kann also sein, dass wir auch Neurone besitzen, die die Gefühle von anderen spiegeln. Nur können wir nicht sagen, ob sie Mitfühlen erst ermöglichen.

Aufgezeichnet von Hanna Drimalla

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Cortex bezeichnet eine Ansammlung von Neuronen, typischerweise in Form einer dünnen Oberfläche. Meist ist allerdings der Cortex cerebri gemeint, die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2

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