Frage an das Gehirn

Was passiert im Gehirn, wenn ein Mensch befragt wird?

Fragesteller/in: A. Rachow

Veröffentlicht: 26.09.2015

Es gehört zur Kommunikation wie das Salz in die Suppe: jemanden etwas zu fragen. Was aber passiert im Gehirn, wenn ein Mensch eine Frage gestellt bekommt?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Antwort von Prof. Dr. Evelyn Ferstl, Center for Cognitive Science, Albert-​Ludwigs-​Universität Freiburg: Das Gehirn verarbeitet eine Frage in mehreren Stufen. Bei einer mündlich gestellten Frage ist erst mal das Sprachverarbeitungssystem aktiv, vor allem das Wernicke-​Areal. Denn zunächst gilt es, den Inhalt der Frage zu verstehen, indem man Wörter und Grammatik der Frage analysiert. Doch um später eine Antwort geben zu können, reicht es nicht aus, den Inhalt der Frage zu kennen, sondern man muss sie auch im sozialen Kontext interpretieren: Nämlich herausfinden, was die Intention des oder der Fragenden ist. Erst anschließend ist es möglich, zum dritten Schritt überzugehen – eine passende Antwort im Gedächtnis zu suchen.

Die Interpretation der sozialen Situation wiederum erfordert eine Theory of Mind, also die Fähigkeit zu realisieren, dass andere Menschen auch Intentionen und Gefühle haben, und dass sie auf Grund ihres Wissens und ihrer Überzeugungen bestimmte Handlungen vornehmen. Durch diese Fähigkeit können wir herausfinden, was die Intention der Frage sein könnte. Handelt es sich tatsächlich um eine Informationsfrage? Oder möchte die Person vielleicht nur eine Bestätigung? Ist es vielleicht eine rhetorische Frage, bei der überhaupt keine Antwort erwünscht ist? Oder ist etwas als Frage formuliert, ist aber eigentlich eine Aussage oder Aufforderung? Intentionen zu interferieren ist die Aufgabe mehrerer Regionen des Gehirns, vor allem aber eines Bereichs des Stirnhirns, dem frontomedialen Cortex.

Bei Experimenten, die diese Hirnregion aktivieren, fanden Wissenschaftler häufig auch eine Aktivierung in einem posterioren Bereich zwischen den beiden Hirnhälften, dem Präcuneus, welcher mit dem Abruf eines Teils des Langzeitgedächtnisses assoziiert ist. Diese zwei Areale sind somit stark miteinander verknüpft. Man vermutet, dass der Präcuneus vorheriges Wissen aus dem Langzeitgedächtnis mit dem sozial relevanten Wissen aus der aktuellen Situation, also in dem Fall der Frage, integriert. Das heißt, je nach Intention der Frage sucht er eine von mehreren möglichen passenden Antworten.

Diese Zusammenarbeit des fronto-​medialen Cortex und des Präcuneus zeigte bereits eine 2002 am Max-​Planck-​Institut in Leipzig durchgeführte Studie von Stefan Zysset und seinen Kollegen. Dazu mussten die Versuchspersonen drei Arten von einfachen Fragen, die als Aussagen formuliert waren, mit ja oder nein beantworten, während die Forscher die Aktivität des Gehirns der Probanden mittels funktioneller Magnetresonanztomografie maßen. Dabei handelte es sich um Fragen zum semantischen Wissen („Leipzig ist die Hauptstadt von Sachsen.“), Fragen zum episodischen Gedächtnis, bei denen die Versuchspersonen eine persönliche Erinnerung abrufen mussten („Ich war in Leipzig.“) oder Fragen, bei denen eine Evaluation nötig war („Mir gefällt Leipzig.“). Miteinander verglichen, waren die frontomedialen Areale bei den evaluativen Aussagen stärker aktiv, während der Abruf des episodischen Gedächtnisses den Präcuneus stärker forderte. Somit sind je nach Inhalt der Frage unterschiedliche Hirnregionen aktiv.

Jetzt stelle man sich vor: Man sitzt bei einer Quizshow und hat noch zwei Antwortmöglichkeiten. Man glaubt die Antwort zu wissen, ist sich aber nicht ganz sicher. Dann ist der rostrale cinguläre Cortex besonders aktiv und zeigt diesen Antwortkonflikt, also die Unsicherheit bei der Entscheidungsfindung an. Hat man sich entschieden, ist im letzten Schritt das Sprachproduktionssystem gefordert, welches dann eine mündliche Antwort formuliert.

Aufgezeichnet von Nicole Paschek

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Cortex bezeichnet eine Ansammlung von Neuronen, typischerweise in Form einer dünnen Oberfläche. Meist ist allerdings der Cortex cerebri gemeint, die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2

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