Question to the brain

Was macht der Vollmond mit dem Schlaf?

Questioner: Betty B. aus O.

Published: 21.06.2021

Ich habe gehört, der Vollmond habe keinerlei Effekte, das sei nur eine selbsterfüllende Prophezeiung. Neuere Studien sehen das anders – was stimmt?

The editor's reply is:

Dr. rer. medic. Martin Glos, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Schlaf-Forscher am Interdisziplinären Schafmedizinischen Zentrum der Charité-Universitätsmedizin Berlin: Die Wahrnehmung, dass sie bei Vollmond schlechter schlafen, teilen einige Menschen. Im Schlafmedizinischen Zentrum wird der Vollmond als Auslöser für klassische, behandlungsbedürftige Schlafstörungen allerdings selten genannt. Grundsätzlich gibt es für den gesunden Schlaf keine Normwerte, was zum Beispiel die Schlafdauer oder die Anzahl der Liegepositionen angeht. Um die Schlafqualität einschätzen zu können, arbeiten wir daher nicht nur mit elektrophysischen Messungen der Gehirnaktivität (EEG), der Augenbewegungen (EOG) und der Muskelanspannung (EMG) im Schlaflabor, sondern auch mit Fragebögen und Tagebüchern zur Selbsteinschätzung. Grundsätzlich geht es darum, dass sich der Schlaf erholsam anfühlt und man am nächsten Morgen ausgeruht ist.

Psychologische Aspekte können durchaus Ursache für einen schlechten Schlaf sein – so könnte auch die Vorannahme, bei Vollmond schlechter zu schlafen, die Nacht weniger erholsam machen. Auch ein umgekehrter Zusammenhang wäre möglich: Menschen schlafen schlecht und sind verunsichert, wenn sie dafür keine Erklärung finden. Die schlechte Nacht auf den Vollmond zu schieben, kann beruhigen, aber eine falsche Zuordnung sein.

Ist ein Zimmer nicht ausreichend abgedunkelt, könnte auch die Lichtwirkung des Vollmonds ausreichen, den Schlaf zu stören. Interessant ist jedoch, dass eine Reihe von Studien die Wirkung von Lichteffekten ausgeschlossen haben und dennoch Auswirkungen auf den Schlaf feststellten. So haben etwa Christian Cajochen und seine KollegInnen 2013 gezeigt, dass der Vollmond die Schlafzeit um 20 Minuten verringerte, was schlafmedizinisch bedeutsam wäre.

Auch wenn verschiedene Studien Hinweise auf eine Wirkung des Vollmonds auf den Schlaf liefern, gibt es darüber noch keine wissenschaftliche Sicherheit. Häufig handelt es sich um Studien mit kleinen Probandenzahlen, die Wiederholung der Ergebnisse unter gleichen Bedingungen gelingt nicht, oder Studien ohne Effektnachweis werden erst gar nicht veröffentlicht.

Mit halbmonatlicher Periode (etwa 14,8 Tage), also zum Vollmond und Neumond, stehen Sonne und Mond genau in einer Linie mit der Erde und ihre Anziehungskräfte addieren sich. Obwohl es keine direkte Wirkung der Anziehungskräfte des Mondes auf Lebewesen gibt, nutzen die am Meer lebende Mücken die veränderte Intensität von Ebbe und Flut zu diesen Phasen aus, um sich fortzupflanzen, weil dann kurzfristig besonders viel dafür geeigneter Meeresboden freigelegt wird. Das ist ein Beispiel dafür, wie Lebewesen sich an den Mondzyklus angepasst und diesen genetisch verinnerlicht haben.

Möglich wäre also auch, dass ein innerer Mondrhythmus in uns Menschen angelegt ist – ähnlich dem durch Messungen nachweisbaren zirkadianen Rhythmus. Er synchronisiert körperliche Vorgänge auf einen Rhythmus von 24 Stunden. Selbst, wenn man uns in einen Bunker ohne jeden Hinweis auf den Zeitverlauf einsperren würde, bliebe dieser Rhythmus erhalten. Er ist entwicklungsgeschichtlich angelegt. Einige Wissenschaftler folgen also dem Ansatz, dass auch ein zirkalunarer, also ein Mond-Rhythmus, im Menschen angelegt und nachweisbar ist. Dass er auf den Schlaf wirken würde, wäre plausibel. Auch Jahreszeiten- und soziale (Wochen-)Rhythmen beeinflussen die Schlafqualität.

Fazit: Einiges spricht dafür, dass der Mond auf den Schlaf wirkt. Ob der Vollmond wirklich ein Schlafräuber ist, lässt sich aktuell aber aus wissenschaftlicher Perspektive noch nicht sicher beantworten. Das bedarf weiterer Forschung.

Aufgezeichnet von Natalie Steinmann

Schlafstörungen

Schlafstörung/-/sleep disorder

Ein Sammelbegriff für verschiedene Phänomene, die sich dadurch auszeichnen, dass die Betroffenen keinen erholsamen Schlaf haben. Hierzu können sowohl psychische als auch organische Ursachen beitragen. Die Symptome reichen von Problemen beim Einschlafen und Durchschlafen bis hin zu unerwünschten Verhaltensweisen im Schlaf wie etwa Schlafwandeln, ruhelose Beine beim Einschlafen („restless legs“), Atemaussetzer im Schlaf („Schlafapnoe“) etc. Schätzungen zufolge leiden in den westlichen Ländern bis zu 30 Prozent aller Erwachsenen an irgendeiner Form von Schlafstörung. Die Suche nach den Ursachen ist häufig kompliziert, eine Analyse im Schlaflabor die beste Untersuchungsmethode.

Gen

Gen/-/gene

Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.

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