Question to the brain

Ist Entscheidungsqualität messbar?

Questioner: Ingo Damith per E-Mail

Published: 19.07.2013

Lässt sich der qualitative Unterschied zwischen guten und schlechten Entscheidungen im Gehirn messen? Es wäre doch fein, wenn der Hirnscanner uns helfen könnte, bessere Entscheidungen in wichtigen Lebensfragen zu treffen.

The editor's reply is:

Dr. Hauke Heekeren, Professor für Kognitive Neurowissenschaft an der FU Berlin:

Zunächst stehen wir vor dem Problem, dass sich Entscheidungen nicht per se als gute oder schlechte Entscheidung qualifizieren lassen – man muss immer dazu sagen, in Bezug auf welches Kriterium. Je nach Zielsetzung kann dieselbe Entscheidung ja unterschiedlich bewertet werden: Zum Beispiel kann es eine gute Entscheidung sein für mich, ein Schokotörtchen zu essen, weil ich mich dann kurzfristig besser und zufriedener fühle. Aber es kann natürlich auch eine schlechte Entscheidung sein, etwa wenn meine langfristige Gesundheit das Kriterium ist.

Das heißt: Nur wenn man vorher ein Kriterium festlegt, was als gutes und was als schlechtes Verhalten gilt, kann man die Qualität einer Entscheidung im Gehirn versuchen zu messen. Das funktioniert dann auch – wohlgemerkt unter bestimmten Bedingungen und in gewissen experimentellen Grenzen: Wenn eine Versuchsperson mehrere Entscheidungen trifft, lassen sich in den zugehörigen Daten – etwa Hirnscans, EEG-​Strömen oder auch einfacheren Messgrößen wie Hautleitwert oder Pupillengröße – qualitative Unterschiede zwischen den (gemäß dem Kriterium) guten und schlechten Entscheidungen finden. Allerdings ist dieses Verfahren dadurch beschränkt, dass die genannten Methoden es erforderlich machen, über mehrere Versuchsdurchgänge zu mitteln.

Beobachtet man eine einzelne Entscheidung etwa im Hirnscanner, lässt sich daraus die Qualität der Entscheidung nur bedingt vorhersagen. Dafür kann man beispielsweise einen maschinellen Lernalgorithmus verwenden. Dieser muss aber erst trainiert werden, indem man ihn mit den Daten von exemplarischen guten und schlechten Entscheidungen des Probanden füttert. Auf dieser Basis kann der Algorithmus dann nach weiteren Entscheidungen einen Tipp abgeben, ob es sich um eine gute oder schlechte handelt. Dabei erzielt man Trefferquoten klar über 50, aber deutlich unter 100 Prozent. Mehr als eine Wahrscheinlichkeitsaussage lässt sich bezüglich der Qualität einer einzelnen Entscheidung also nicht treffen. Und: Der Algorithmus findet zwar Parameter, die ihm erlauben, gute und schlechte Entscheidungen zu unterscheiden – aber nur für die gegebene Person und Entscheidungssituation. Damit verbindet sich erst mal kein allgemeines Modell, das besagen würde, wie und wo der Entscheidungsprozess im Gehirn abläuft oder ob es Indizien gibt, die ganz generell auf schlechte Entscheidungen hindeuten.

Somit ist das ganze Verfahren von vornherein beschränkt: auf wiederholbare Entscheidungssituationen mit klar definierbarem Kriterium, was gut und was schlecht ist. Experimente verwenden deshalb Entscheidungen wie zum Beispiel: Welchen Snack möchtest du jetzt essen? Welches Wertpapier möchtest du kaufen? Möchtest du jetzt fünf Euro oder lieber in vier Wochen acht Euro bekommen? Schwerwiegende Lebensentscheidungen wie die Berufs– oder Partnerwahl erfüllen die genannten Bedingungen dagegen ganz offensichtlich nicht.

Aufgezeichnet von Ulrich Pontes

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