Glia: die unbekannten Hirnzellen

Lange ignoriert und vielfach unterschätzt entwickeln sich Gliazellen zu Stars der Hirnforschung

„Du sollst keine anderen Götter neben mir haben!“, riefen die Neurone den Hirnforschern fast ein Jahrhundert lang zu, und verwiesen dabei auf die Neuronendoktrin des großen Physiologen Ramon y Cajal. „Recht haben sie“, sagten die Forscher und verbannten die Gliazellen aus dem Fokus ihrer Mikroskope. Dazu bei trug wohl auch die Namensgebung durch ihren Erstbeschreiber Rudolf Virchow: Glia bedeutet einfach nur „Leim“.

Doch die Zeiten ändern sich. In den letzten Jahrzehnten haben sich Gliazellen zu einem rasant wachsenden Forschungsfeld entwickelt, das uns Jahr für Jahr mit neuen Erkenntnissen versorgt. Und neuen Fragen: Welchen Einfluss haben die Astrozyten an der Synapse? Welche Bedeutung hat ihre geheimnisvolle Kommunikation via Calziumwellen? Wie weit reicht die Interaktion zwischen Axon und Oligodendrozyt? 

Unser Schwerpunkt zu den Gliazellen wird Sie mit einigen der interessantesten Hirnzellen bekannt machen. Susanne Donner führt in das Thema ein: Gliazellen: Unterschätzter Klebstoff

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Neuronendoktrin

Neuroendoktrin/-/neuron doctrine

Die Neuronendoktrin bildet die Grundlage für unser heutiges Verständnis des Nervensystems. Demnach besteht das Gehirn nicht aus einem einzigen, zusammenhängenden Nervennetz, sondern aus individuellen Nervenzellen, die über Kontaktstellen miteinander kommunizieren. Dies entdeckte der Italiener Ramon y Cajal Ende des 19. Jahrhunders, als er Nervenzellpräparate von Hühnern und Säugetieren anfärbte. Er nutzte dabei eine Färbetechnik, die Camillo Golgi entwickelt hatte. Für ihre Leistung durften sich die beiden – dummerweise zerstrittenen – Forscher im Jahr 1906 den Medizin-​Nobelpreis teilen.

Gliazellen

Gliazellen/-/glia cells

Gliazellen stellen neben den Neuronen die zweite Gruppe große Gruppe von Zellen im Gehirn. Sie wurden lange Zeit als die inaktiven Elemente des Gehirns, als „Nervenkitt“ bezeichnet. Heute weiss man, dass die verschiedenen Typen von Gliazellen (Astrozyten, Oligodendrozyten und Mikrogliazellen) klar definierte Aufgaben im Nervensystem erfüllen. So reagieren sie z. B. auf Krankheitserreger, spielen eine wichtige Rolle bei der Ernährung der Nervenzellen oder isolieren Nervenfasern. Ihr Anteil im Vergleich zu den Neuronen liegt bei etwas über 50 Prozent.

Astrozyt

Astrozyt/-/astrocyte, astroglia

Astrozyten sind die größten unter den Gliazellen. Zu ihren Aufgaben gehören z.B. die Immunabwehr (auch Blut-​Hirn-​Schranke) oder die Wiederaufnahme ausgeschütteter Neurotransmitter (Botenstoffen im Gehirn).

Axon

Axon/-/axon

Das Axon ist der Fortsatz der Nervenzelle, der für die Weiterleitung eines Nervenimpulses zur nächsten Zelle zuständig ist. Ein Axon kann sich vielfach verzweigen, und so eine Vielzahl nachgeschalteter Nervenzellen erreichen. Seine Länge kann mehr als einen Meter betragen. Das Axon endet in einer oder mehreren Synapse(n).