Steckbrief Psilocybin

Steckbrief Psilocybin

Wie wirkt Psilocybin? Der Wirkstoff aus den „Magic Mushrooms“ aktiviert das Serotoninsystem und verändert die Wahrnehmung. Die Folge: Halluzinationen, verändertes Zeitempfinden und bisweilen das Gefühl einer spirituellen Erfahrung.

Wissenschaftliche Betreuung: Dr. Tomislav Majic

Veröffentlicht: 24.05.2015

Niveau: mittel

Das Wichtigste in Kürze
  • Psilocybin ist die Vorstufe eines halluzinogen wirkenden Alkaloids aus verschiedenen Pilzen, das im Körper zum aktiven Psilocin umgewandelt wird.
  • Psilocin aktiviert Serotonin-Rezeptoren auf erregenden und hemmenden Nervenzellen vor allem im cingulären und präfrontalen Cortet, aber auch im Thalamus.
  • Psilocin führt zu einer reduzierten funktionellen Verknüpfung der beeinflussten Hirnregionen, auch an der Abnahme der Durchblutung zu erkennen.
  • Psilocin löst Halluzinationen aus, ebenso wie eine verstärkte Innenschau und gedehntes Zeitempfinden.
  • Psilocin macht nicht körperlich abhängig, kann aber, wenn unter unkontrollierten Bedingungen eingenommen, zu Angstattacken führen.
  • Psilocin wurde bis zum Verbot in den 1960er Jahren als Psychotherapeutikum untersucht und eingesetzt, aktuell gibt es Studien zur Anwendung etwa bei Zwangsstörungen und Cluster-Kopfschmerzen.

Thalamus dorsalis

Thalamus dorsalis/Thalamus dorsalis/thalamus

Der Thalamus ist die größte Struktur des Zwischenhirns und ist oberhalb des Hypothalamus gelegen. Der Thalamus gilt als „Tor zum Bewusstsein“, da seine Kerne Durchgangstation für sämtliche Information an den Cortex (Großhirnrinde) sind. Gleichzeitig erhalten sie auch viele kortikale Eingänge. Die Kerne des Thalamus werden zu Gruppen zusammengefasst.

Psilocybin, chemisch 4-Phosphoryloxy-N,N-dimethyltryptamin, ist ein halluzinogen wirkendes Alkaloid, das in mehreren Pilzen vorkommt – zum Beispiel im Psilocybe mexicana, aber auch im Spitzkegeligen Kahlkopf (Psilocybe semilanceata), einem Pilz, der in Deutschland wächst. Psilocybin ist eine Vorstufe der Droge, es wird im Körper zum wirksamen Psilocin umgewandelt. Psilocybin wird eingenommen, indem die Pilze, zumeist getrocknet, gegessen werden; ihr Besitz und Handel sind illegal.

Pharmakologische Wirkung

Psilocin bindet an Serotonin-​Rezeptoren und aktiviert diese. Ähnlich wie bei LSD scheint auch hier der Serotonin-​Rezeptor vom Typ 2a hauptsächlich für die folgenden Halluzinationen verantwortlich zu sein. Bekannt ist, dass die Rezeptoren vor allem in Bereichen des anterioren und posterioren cingulären Cortex, aber auch im Thalamus aktiviert werden. Psilocin beeinflusst hier die Aktivität sowohl erregender, als auch hemmender Nervenzellen, es stimuliert beispielsweise die Aktivität von Nervenzellen, die den hemmenden Botenstoff GABA nutzen. Psilocin verstärkt also hemmende Einflüsse. Mehrere Hirnregionen zeigen unter der Wirkung dieser Droge eine geringere Aktivität und eine geringere Durchblutung, so auch der Thalamus, der als „Tor des Bewusstseins“ gilt, weil er Sinneseindrücke filtert. Ist diese Filterfunktion reduziert, so eine gängige Vermutung, gelangen deutlich mehr Informationen ins Bewusstsein als üblich.

Psilocybin setzt aber nicht nur die Aktivität einzelner Bereiche herab, sondern auch die Aktivität der Nervenbahnen, die diese miteinander verbinden. Das stört die so genannte funktionelle Konnektivität des Gehirns. Einflüsse, die Areale normalerweise aufeinander haben, werden entkoppelt. Dies wird als eine Ursache für die veränderten Wahrnehmungen unter der Drogenwirkung vermutet.

Rezeptor

Rezeptor/-/receptor

Signalempfänger in der Zellmembran. Chemisch gesehen ein Protein, das dafür verantwortlich ist, dass eine Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet. Das externe Signal kann beispielsweise ein chemischer Botenstoff (Transmitter) sein, den eine aktivierte Nervenzelle in den synaptischen Spalt entlässt. Ein Rezeptor in der Membran der nachgeschalteten Zelle erkennt das Signal und sorgt dafür, dass diese Zelle ebenfalls aktiviert wird. Rezeptoren sind sowohl spezifisch für die Signalsubstanzen, auf die sie reagieren, als auch in Bezug auf die Antwortprozesse, die sie auslösen.

Thalamus dorsalis

Thalamus dorsalis/Thalamus dorsalis/thalamus

Der Thalamus ist die größte Struktur des Zwischenhirns und ist oberhalb des Hypothalamus gelegen. Der Thalamus gilt als „Tor zum Bewusstsein“, da seine Kerne Durchgangstation für sämtliche Information an den Cortex (Großhirnrinde) sind. Gleichzeitig erhalten sie auch viele kortikale Eingänge. Die Kerne des Thalamus werden zu Gruppen zusammengefasst.

GABA

GABA/-/GABA

GABA ist eine Aminosäure und der wichtigste inhibitorische, also hemmende Neurotransmitter, der bei der Informationsübertragung zwischen Neuronen an deren Synapsen als Botenstoff dient.

Effekte auf Körper und Psyche

Die Wirkung von Psilocin setzt je nach Dosis nach zehn bis 30 Minuten ein und dauert etwa zwei bis sechs Stunden. Die Effekte können mit denen des LSD verglichen werden: Es kommt zu einer Veränderung der Wahrnehmung, insbesondere der akustischen und optischen. Halluzinationen, also die Wahrnehmung von Sinneseindrücken ohne Vorhandensein von äußeren Reizen, sind möglich. Gleiches gilt für die Empfindung von Synästhesien, bei denen mehrere Sinneseindrücke gekoppelt erlebt werden, man also etwa Farben schmeckt oder Bilder hört. Als besonders beeindruckend nehmen Konsumenten Wirkungen auf das eigene Empfinden wahr, die bisweilen als spirituelle Erfahrungen, bisweilen aber auch als psychotische Reaktion erlebt werden können. Ob die Eindrücke als erfreulich oder unerfreulich wahrgenommen werden, hängt von der psychologischen Ausgangslage des Konsumenten ab. Nicht zuletzt wird das Zeitgefühl erheblich gestört, Minuten werden zu Stunden. Da auch Schlaf, Aufmerksamkeit und Stimmung durch das serotonerge System beeinflusst werden, ist auch dies vermutlich eine Folge der Aktivierung der Serotonin-​Rezeptoren.

Wahrnehmung

Wahrnehmung/Perceptio/perception

Der Begriff beschreibt den komplexen Prozess der Informationsgewinnung und –verarbeitung von Reizen aus der Umwelt sowie von inneren Zuständen eines Lebewesens. Das Gehirn kombiniert die Informationen, die teils bewusst und teils unbewusst wahrgenommen werden, zu einem subjektiv sinnvollen Gesamteindruck. Wenn die Daten, die es von den Sinnesorganen erhält, hierfür nicht ausreichen, ergänzt es diese mit Erfahrungswerten. Dies kann zu Fehlinterpretationen führen und erklärt, warum wir optischen Täuschungen erliegen oder auf Zaubertricks hereinfallen.

Aufmerksamkeit

Aufmerksamkeit/-/attention

Aufmerksamkeit dient uns als Werkzeug, innere und äußere Reize bewusst wahrzunehmen. Dies gelingt uns, indem wir unsere mentalen Ressourcen auf eine begrenzte Anzahl von Bewusstseinsinhalten konzentrieren. Während manche Stimuli automatisch unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, können wir andere kontrolliert auswählen. Unbewusst verarbeitet das Gehirn immer auch Reize, die gerade nicht im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen.

Möglicher therapeutischer Nutzen

Psilocin wurde zur Behandlung von Neurosen eingesetzt, bis es in den 1960er Jahren verboten wurde. Gegenüber dem LSD bietet es für den Einsatz als Psychotherapeutikum den Vorteil, dass es durch die geringere Wirkdauer besser zu kontrollieren ist. Aktuell gibt es zum Beispiel Studien zum Einsatz bei Zwangsstörungen, Cluster-​Kopfschmerz und in der Palliativmedizin.

Risiken

Pilze sind wie alle Organismen bei ihrem Wuchs zahlreichen Umweltfaktoren ausgesetzt, so dass die Höhe des Psilocybin-​Gehaltes von Pilz zu Pilz stark schwanken kann. Darum weiß man als Konsument nie, wie viel von der Droge man gerade einnimmt. Dies gilt im Übrigen auch für andere Inhaltsstoffe der Pilze, die mit dem Psilocybin interagieren können. Beim Konsum von Pilzen wird bisweilen über Übelkeit, Erbrechen und Magenkrämpfe berichtet.

Davon abgesehen lassen sich die körperlichen Folgeerscheinungen mit dem des LSD in schwächerer Form vergleichen. Hohe Dosen können zu Herzrasen und Schweißausbrüchen führen. Es kann zu Angstzuständen und traumatischen Erlebnissen („Horrortrips“) kommen. Eine regelmäßige Einnahme macht nicht süchtig, aber es entwickelt sich eine Toleranz gegenüber dem Wirkstoff, die nach einigen Tagen Abstinenz abklingt.

Trivia

In Mittelamerika hat der Pilz hohe kultische Bedeutung bei den Ureinwohnern, insbesondere den Nachfahren der Azteken. Er wird bis heute zu Zeremonien genutzt, bei denen man den Pilz „befragt“. Dafür braucht es ernsthafte Gründe, wie etwa die Suche nach dem Heilmittel für eine Krankheit. Die Zeremonien werden begleitet. Je nach Region und Kultur bleiben die Begleiter nüchtern oder essen ebenfalls Pilze, um in schamanistischen Zeremonien Fragen beantworten zu können.

Der südamerikanische Pilzkult wurde 1939 erstmalig von Richard Schultes beschrieben. Bekannt wurde der Pilz Psilocybe mexicana durch Gordon Richard Wasson und seine Frau Valentina Pavlovna, die nach ihrer Südamerika-​Reise 1953 einen Artikel über „Magic Mushrooms“ im Magazin Life veröffentlichten.

Albert Hofmann, der Entdecker von LSD, veröffentlichte 1959 die chemische Isolation von Psilocybin und Psilocin.

zum Weiterlesen:

  • Wikipedia; URL: https://​de​.wikipedia​.org/​w​i​k​i​/​P​s​i​l​o​cybin (Stand 15.4.15); zur Webseite.
  • Carhart-​Harris R. et al.: Neural correlates of the psychedelic state as determined by fMRI studies with psilocybin. PNAS. 2012 Feb 7;109(6):2138 – 43. (zum Volltext).
  • Sessa, B.: Can psychedelics have a role in psychiatry once again?, Br J Psychiatry, 2005 Jun;186:457 – 8. (Zum Volltext).
  • Schmidbauer, W./Vom Scheidt, J.: Handbuch der Rauschdrogen, Frankfurt am Main (2004).
  • Wellhöner, H.: Pharmakologie und Toxikologie, Lindhöft (2014) (zum Text).
  • Kurzlehrbuch Pharmakologie und Toxikologie, hg von Thomas Herdegen, Stuttgart 2014 (zum Text).
  • Principles of Neural Science, Fifth Edition, hg von Eric Kandel u.a., McGraw Hill, New York 2013.
  • Lexikon der Neurowissenschaft, Spektrum Akademischer Verlag, Berlin 2000.

Funktionelle Magnetresonanztomographie

Funktionelle Magnetresonanztomographie/-/functional magnetic resonance imaging

Eine Modifikation der Magnetresonanztomographie oder –tomografie (MRT, englisch MRI) die die Messung des regionalen Körperstoffwechsels erlaubt. In der Hirnforschung wird besonders häufig der BOLD-​Kontrast (blood oxygen level dependent) verwendet, der das unterschiedliche magnetische Verhalten sauerstoffreichen und sauerstoffarmen Bluts nutzt. Ein hoher Sauerstoffverbrauch kann mit erhöhter Aktivität korreliert werden. fMRT-​Messungen haben eine gute räumliche Auflösung und erlauben so detaillierte Information über die Aktivität eines bestimmten Areals im Gehirn.

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