Frage an das Gehirn

Wieso fällt es manchen Menschen leichter, Fremdsprachen zu lernen?

Fragesteller/in: ein User via Email

Veröffentlicht: 07.06.2015

Dem einen fliegen die Worte nur so zu, der andere tut sich furchtbar schwer: Wieso fällt es manchen Menschen leichter als anderen, eine Fremdsprache zu lernen?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Narly Golestani, Gruppenleiterin des Brain and Language Lab am Neuroscience Center der Universität Genf: Ganz prinzipiell gibt es im Leben eines Menschen bestimmte Zeitfenster, so genannte sensitive Perioden, in denen er eine Sprache leichter lernt. Sie liegen hauptsächlich in der frühen Kindheit. Aber wir können auch zu anderen Zeitpunkten im Leben Fremdsprachen lernen. Wir haben da übrigens Glück: Von Singvögeln wissen wir, dass es kritische Perioden in ihrem Leben gibt, in denen sie das Singen ihrer Art lernen. Wenn sie in diesem Zeitraum nicht dem Gesang ihrer Artgenossen ausgesetzt sind, lernen sie ihn nie.

Bei uns Menschen wechselt also die Bereitschaft des Gehirns zu lernen. Wir nennen das Plastizität. Unter bestimmten Umständen kann man diese sensitiven Perioden länger offen halten. Wird das Gehirn beispielsweise durch neue Inhalte stimuliert, wächst gleichzeitig seine Bereitschaft zu lernen. Wer anhaltend lernt, bei dem ändern sich molekulare Mechanismen im Gehirn, die dazu beitragen, das Gehirn plastisch zu halten.

Das Lernen von Sprachen hat verschiedene Aspekte. Manchen Menschen fällt die Aussprache leichter, anderen die Grammatik. Wichtig für eine gute Aussprache ist die Fähigkeit, Laute genau zu hören und zu unterscheiden. Hierfür gibt es ein wichtiges Zeitfenster: Babys können die Laute aller Sprachen sehr viel besser hören als Erwachsene. Wer als Baby einer Fremdsprache ausgesetzt war, lernt diese später einfacher – selbst wenn er als Kleinkind nur seine Muttersprache spricht.

Aber manche Unterschiede darin, wie gut Erwachsene Laute hören und unterscheiden können, lassen sich nicht damit erklären. Warum lernen also manche neue Laute besser als andere? Wir haben in den zuständigen Hirnarealen Unterschiede gefunden, selbst bei Menschen, die gleich viele Sprachen sprechen. Wer Laute gut lernen kann, hat häufig einen größeren linken auditiven Cortex Wir wissen nicht, wann sich das gebildet hat. Es könnte entweder genetisch bedingt sein oder seine Ursache in sehr frühen Spracherfahrungen im Leben haben.

Die Regionen im Gehirn, die für die Bedeutung von Sprache, die Semantik, zuständig sind, sind länger plastisch. Für Grammatik gibt es ebenfalls feste Zeitfenster, in denen wir sie einfacher lernen und verstehen. Sie liegen großteils in der Kindheit. Deshalb lernen die Kinder in der Schule aus unserer Sicht zu spät Fremdsprachen. Man sollte eigentlich schon im Kindergarten anfangen, Kinder spielerisch anderen Sprachen auszusetzen.

Schließlich unterscheidet sich noch die Art zu lernen. Manche Menschen sind besser im impliziten Lernen, beispielsweise indem sie fremdsprachige Filme sehen oder sich in anderen Ländern aufhalten. Andere lernen besser explizit: Sie eignen sich Regeln an oder büffeln Vokabeln. Das betrifft verschiedene Arten des Gedächtnisses. Implizites Lernen dauert länger, aber es ist ein tieferes, nachhaltigeres Lernen. Wer explizit lernt, hat zwar ein schnelleres Erfolgserlebnis, aber er vergisst das Gelernte auch eher wieder.

Für alle Menschen gilt jedenfalls: Am besten eignet man sich eine fremde Sprache an, wenn man während des Lernens von Menschen umgeben ist, die diese Sprache sprechen.

Aufgezeichnet von Eva Wolfangel

Plastizität

Plastizität/-/neuroplasticity

Der Begriff beschreibt die Fähigkeit von Synapsen, Nervenzellen und ganzen Hirnarealen, sich abhängig vom Grad ihrer Nutzung zu verändern. Mit synaptischer Plastizität ist die Eigenschaft von Synapsen gemeint, ihre Erregbarkeit auf die Intensität der Reize einzustellen, die sie erreichen. Daneben unterliegen auch Größe und Vernetzungsgrad unterschiedlicher Hirnbereiche einem Wandel, der von ihrer jeweiligen Aktivität abhängt. Dieses Phänomen bezeichnen Neurowissenschaftler als corticale Plastizität.

Auditorischer Cortex

Auditorischer Cortex/-/auditory cortex

Der auditorische Cortex ist ein Teil des Temporallappens, der mit der Verarbeitung akustischer Signale befasst ist. Er unterteilt sich in primäre und sekundäre Hörrinde.

Gen

Gen/-/gene

Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.

Gedächtnis

Gedächtnis/-/memory

Gedächtnis ist ein Oberbegriff für alle Arten von Informationsspeicherung im Organismus. Dazu gehören neben dem reinen Behalten auch die Aufnahme der Information, deren Ordnung und der Abruf.

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