Frage an das Gehirn

Wie viele Gehirnzellen braucht ein funktionierendes Gehirn?

Fragesteller/in: Anuszka Danuszka via Email

Veröffentlicht: 31.08.2015

Wie viele Gehirnzellen sind nötig, um ein funktionierendes Gehirn zu bilden?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Martin Egelhaaf, Professor für Neurobiologie an der Universität Bielefeld: Das kann man nicht an einer bestimmten Anzahl festmachen. Wichtiger als die Anzahl der Nervenzellen ist ihre Zentralisierung, also dass sich die Nervenzellen an einem Ort im Kopf des Lebewesens zusammenballen. Im Laufe der Evolutionsgeschichte erst zu Nervenknoten, dann zu immer komplexeren Gehirnen.

Wenn wir bei den einfachsten Wesen beginnen: Einzeller verfügen über Rezeptormoleküle, die zum Beispiel Nahrung wahrnehmen können. Quallen, Korallen oder Wasserpolypen haben Nervenzellen, aber diese bilden ein diffuses Netz, das sich durch den ganzen Körper zieht, es hat kein Zentrum. Wenn so ein Tier an einer Stelle gereizt wird, kann es an dieser Stelle reagieren, ohne dass die Reaktion zentral gesteuert würde. Bei den Würmern hingegen gibt es klar ein vorderes und ein hinteres Ende. Der Fadenwurm C. elegans, an dem Neurowissenschaftler gerne forschen, hat genau 302 Neuronen, die sich teilweise am vorderen Ende, teilweise im Körper befinden. Bei den Plattwürmern haben sich am vorderen Ende mehrere Nervenknoten zusammengeballt. Manche nennen das dann einen zentralen Nervenknoten (Zentral-​Ganglion), ich würde es durchaus als ein Gehirn bezeichnen. Das ist aber nicht so klar definiert.

Diesen Prozess der Herausbildung eines Gehirns nennt man Cephalisation. Er hat mit der Spezialisierung von Körperteilen zu tun. Ein Regenwurm etwa sieht von vorne bis hinten ziemlich gleich aus. Fast alle Körpersegmente tun das Gleiche und in jedem Körpersegment gibt es gleichartige Nervenknoten, im Kopf dann einen etwas größeren. Ein Insekt hat hingegen klar unterscheidbare Teile: Kopf, Körper mit Beinen und Flügeln sowie Hinterleib, die ganz verschiedene Funktionen haben. Wenn es eine solche Spezialisierung gibt, braucht man auch eine übergeordnete Kontrollinstanz, damit die Körperteile zusammenarbeiten, eben ein Gehirn. Das ist im Kopf gut aufgehoben, denn dieser ist bei der Fortbewegung typischerweise vorne und in ihm bilden sich die komplexen Sinnesorgane heraus. Vom Gehirn gehen dann Nervenverbindungen in diese Sinnesorgane und die übrigen Teile des Körpers. Sie transportieren die Reize von den Sinnesorganen zum Gehirn und sorgen für die Steuerung der Gliedmaßen.

Ob ein Gehirn funktionsfähig ist, bestimmt sich daraus, ob es das Tier überleben und sich fortpflanzen lässt. Ein Süßwasserpolyp, der fest auf der Stelle sitzt, braucht nicht so viel an Steuerungsfunktionen wie eine Biene, die ständig unterwegs ist, oder wie der Mensch. Ein Polyp kommt deshalb ohne Gehirn aus, ein Insekt hat ein Gehirn mit etwa einer Million Nervenzellen und beim Menschen sind es bis zu einhundert Milliarden.

Aufgezeichnet von Manuela Lenzen

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

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