Frage an das Gehirn

Was passiert im Gehirn, wenn wir glücklich sind?

Fragesteller/in: Margot B. aus Frankfurt via Mail

Veröffentlicht: 16.08.2014

Glücklichsein hat viele Gesichter. Manchmal ist es nur ein kurzer Augenblick der Hochstimmung. Es gibt aber auch die längerfristige, stille Variante der Zufriedenheit. Doch wie entsteht dieses schönste aller Gefühle im Gehirn?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Antwort von Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth, Institut für Hirnforschung, Universität Bremen:

Glück ist ein subjektives Gefühl, aber neurobiologisch recht gut erfassbar. Um zu verstehen, was im Gehirn passiert, wenn wir glücklich sind, ist es wichtig, zwischen „Glück“ und „Zufriedenheit“ zu differenzieren.

Zufriedenheit ist ein positiv motivierter Zustand, das Gefühl innerer Ausgeglichenheit. Sie ist teils genetisch bestimmt, teils durch die Umwelt geprägt, etwa durch Bindungserfahrungen in der Kindheit. Wie zufrieden ein Mensch ist, kristallisiert sich bereits zwischen dem fünften und zehnten Lebensjahr heraus und bleibt zeitlebens weitgehend gleich. Lediglich im Alter mildert sich die Ausprägung ab. Ein Pessimist wird dann etwa zum gemäßigten Pessimisten. Biochemisch sind insbesondere drei Hirnbotenstoffe beteiligt: Serotonin, Dopamin und Oxytocin.

Das eigentliche Glücksgefühl entsteht durch einen Cocktail gehirneigener Opioide wie Endorphine. Es handelt sich dabei um eine kurzfristige positive Abweichung vom individuellen Zufriedenheitslevel, die sowohl Optimisten als auch Pessimisten kennen. Allerdings haben Optimisten mehr davon. Der Glücksimpuls stimmt sie euphorisch, und das gute Gefühl hält länger an als bei Pessimisten. Diese empfinden zwar ebenfalls momentan Glück, finden aber auch schnell ein Haar in der Suppe: Ein Lottogewinn könnte Neider anziehen oder eine Auszeichnung zusätzliche Arbeit bescheren.

Allein schwer depressive Menschen kennen kein Glücksgefühl. Die Unfähigkeit Freude und Lust zu empfinden, Anhedonie genannt, spiegelt sich im Gehirn wider. Hirnareale, die mit dem Glücklichsein in Verbindung stehen, wie Bereiche des Hypothalamus und der Hypophyse, ebenso der Nucleus accumbens, bleiben weitgehend inaktiv.

Ein weiterer Sonderfall sind Menschen, die sich in dauerndem Glücksrausch wähnen. Etwa während der manischen Phasen einer bipolaren Störung, — besser bekannt unter dem Namen manisch-​depressive Störung. Von „hypomanischen“ Männern weiß man, dass ein Mix aus Opioiden und erhöht ausgeschüttetem Testosteron das Glücksgefühl zur anhaltenden Euphorie steigern kann.

Schließlich gibt es noch „Sensation Seeker“. Von ihrer psychischen Grundkonstitution her tief unzufrieden oder gar depressiv heischen sie nach starken Gefühlen und extremen Erlebnissen, um eine innere Leere zu füllen. Riskantes Verhalten oder Extremsportarten liefern kurzfristige Glückskicks – gefolgt von einem tiefen emotionalen Absturz. Das Beispiel der Sensation Seeker demonstriert die Flüchtigkeit des Glücks.

Entscheidend für die Neurobiologie und die Qualität des Glücks ist auch die Quelle der Freude. Materielle Belohnung wie Geldgeschenke oder Sex aktiviert vor allem den Nucleus accumbens im Zentrum des so genannten Belohnungssystems. Dieses Glücksgefühl ist nur von kurzer Dauer und verlangt schnell nach mehr – ein Grund, weshalb manche Firmen immer höhere Prämien aussetzen, um ihre Mitarbeiter zu motivieren.

Länger wirken soziale Belohnungen, etwa Anerkennung und Freundschaft. Sie aktivieren Areale der Hirnrinde wie den orbitofrontalen und den insulären Cortex, in denen auf bewusster Ebene positive und negative Erfahrungen verarbeitet werden.

Die beständigsten Glücksgefühle entstehen durch Tätigkeiten, in denen wir völlig aufgehen. Wenn es läuft, wie geschmiert – Psychologen und Neurologen sprechen vom Flow-​Erlebnis – kommen Basalganglien ins Spiel. Sie sind Speicherort aller Gewohnheiten und Automatismen und sorgen dafür, dass reichlich gehirneigene Opioide rieseln, wenn wir Dinge „gekonnt“ ausführen und uns als selbstwirksam erleben.

Antwort aufgezeichnet von Stefanie Reinberger

Gen

Gen/-/gene

Informationseinheit auf der DNA. Den Kernbestandteil eines Gens übersetzen darauf spezialisierte Enzyme in so genannte Ribonukleinsäure (RNA). Während manche Ribonukleinsäuren selbst wichtige Funktionen in der Zelle ausführen, geben andere die Reihenfolge vor, in der die Zelle einzelne Aminosäuren zu einem bestimmten Protein zusammenbauen soll. Das Gen liefert also den Code für dieses Protein. Zusätzlich gehören zu einem Gen noch regulatorische Elemente auf der DNA, die sicherstellen, dass das Gen genau dann abgelesen wird, wenn die Zelle oder der Organismus dessen Produkt auch wirklich benötigen.

Dopamin

Dopamin/-/dopamine

Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff des zentralen Nervensystems, der in die Gruppe der Catecholamine gehört. Es spielt eine Rolle bei Motorik, Motivation, Emotion und kognitiven Prozessen. Störungen in der Funktion dieses Transmitters spielen eine Rolle bei vielen Erkrankungen des Gehirns, wie Schizophrenie, Depression, Parkinsonsche Krankheit, oder Substanzabhängigkeit.

Oxytocin

Oxytozin/-/oxytocin

Ein im Nucleus paraventricularis und im Nucleus supraopticus des Hypothalamus gebildetes Hormon, welches aus dem Hypophysenhinterlappen ins Blut ausgeschüttet wird. Es leitet bei der Geburt die Wehen ein und wird beim Stillen sowie beim Orgasmus ausgeschüttet. Es scheint die Paarbindung zu erhöhen und Vertrauen zu schaffen. Neuere Erkenntnisse weißen darauf hin, dass das oft als Kuschelhormon bezeichnete Oxytocin jedoch weitaus komplexer ist und seine Effekte auch eine Abgrenzung zur andern Gruppen (out-​groups) beinhalten.

Endorphine

Endorphine/-/endorphins

Abkürzung für endogene Morphine, also für Morphine, die vom Körper selbst gebildet werden. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Unterdrückung und Linderung von Schmerzen. Auch an Euphorie (Hochgefühl) sind sie beteiligt.

Hypothalamus

Hypothalamus/-/hypothalamus

Der Hypothalamus gilt als das Zentrum des autonomen Nervensystems, er steuert also viele motivationale Zustände und kontrolliert vegetative Aspekte wie Hunger, Durst oder Sexualverhalten. Als endokrine Drüse (die – im Gegensatz zu einer exokrinen Drüse – ihre Hormone ohne Ausführungsgang direkt ins Blut abgibt) produziert er zahlreiche Hormone, die teilweise die Hypophyse hemmen oder anregen, ihrerseits Hormone ins Blut abzugeben. In dieser Funktion spielt er auch bei der Reaktion auf Schmerz eine wichtige Rolle und ist in die Schmerzmodulation involviert.

Nucleus

Nucleus/Nucleus/nucleus

Nucleus, Plural Nuclei, bezeichnet zweierlei: Zum einen den Kern einer Zelle, den Zellkern. Zum zweiten eine Ansammlung von Zellkörpern im Gehirn.

Emotionen

Emotionen/-/emotions

Unter „Emotionen“ verstehen Neurowissenschaftler psychische Prozesse, die durch äußere Reize ausgelöst werden und eine Handlungsbereitschaft zur Folge haben. Emotionen entstehen im limbischen System, einem stammesgeschichtlich alten Teil des Gehirns. Der Psychologe Paul Ekman hat sechs kulturübergreifende Basisemotionen definiert, die sich in charakteristischen Gesichtsausdrücken widerspiegeln: Freude, Ärger, Angst, Überraschung, Trauer und Ekel.

Nucleus accumbens

Nucleus accumbens/Nucleus accumbens/nucleus accumbens

Der Nucleus accumbens ist ein Kern in den Basalganglien, der dopaminerge (auf Dopamin reagierende) Eingänge vom ventralen Tegmentum bekommt. Er wird mit Belohnung und Aufmerksamkeit, aber auch mit Sucht assoziiert. In der Schmerzverarbeitung ist er an motivationalen Aspekten des Schmerzes (Belohnung, Schmerzabnahme) sowie an der Wirkung von Placebos beteiligt.

Mesolimbisches System

Mesolimbisches System/-/mesolimbic pathway

Ein System aus Neuronen, die Dopamin als Botenstoff verwenden und das entscheidend an der Entstehung positiver Gefühle beteiligt ist. Die Zellkörper liegen im unteren Tegmentums und ziehen unter anderem in die Amygdala, den Hippocampus und – besonders wichtig – den Nucleus accumbens, wo sie ihre Endköpfchen haben.

Cortex

Großhirnrinde/Cortex cerebri/cerebral cortex

Der Cortex cerebri, kurz Cortex genannt, bezeichnet die äußerste Schicht des Großhirns. Sie ist 2,5 mm bis 5 mm dick und reich an Nervenzellen. Die Großhirnrinde ist stark gefaltet, vergleichbar einem Taschentuch in einem Becher. So entstehen zahlreiche Windungen (Gyri), Spalten (Fissurae) und Furchen (Sulci). Ausgefaltet beträgt die Oberfläche des Cortex ca 1.800 cm2.

Basalganglien

Basalganglien/Nuclei basales/basal ganglia

Basalganglien sind eine Gruppe subcorticaler Kerne (unterhalb der Großhirnrinde gelegen) im Telencephalon. Zu den Basalganglien zählen der Globus pallidus und das Striatum, manche Autoren schließen weitere Strukturen mit ein, wie z. B. das Claustrum. Die Basalganglien werden primär mit der Willkürmotorik in Verbindung gebracht.

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