Frage an das Gehirn

Verändert es das Bewusstsein, Teile des Gehirns zu ersetzen?

Fragesteller/in: S. Schwank via Email

Veröffentlicht: 19.12.2015

Wenn ich Teile des Gehirns durch elektronische Komponenten ersetzen ließe, würde das den Ort meines Bewusstseins – oder gar mein Bewusstsein selbst — verändern? Wo wäre es am Ende eines solchen Prozesses?

Die Antwort der Redaktion lautet:

Thomas Metzinger, Leiter des Arbeitsbereichs Theoretische Philosophie und der Forschungsstelle Neuroethik an der Johannes-​Gutenberg-​Universität Mainz: Dieses Gedankenexperiment geht davon aus, dass man Teile des Gehirns und ihre Funktionen ersetzen kann, doch das ist nach dem aktuellen Stand der Forschung nicht möglich. Das Gehirn ist viel zu komplex, es besteht ja nicht nur aus 83 Milliarden vernetzter Neuronen, sondern auch aus Flüssigkeiten. Hormone spielen eine Rolle, es hat nicht nur eine neuronale, sondern auch eine molekulare Dynamik. Aber welche Aspekte sind die relevanten Aspekte? Auf unserem Gehirn läuft kein Programm wie auf einem Computer. Es ist ein sich selbst organisierendes System, es schafft seine Strukturen ständig selbst.

Trotzdem ist es denkbar, dass wir einmal das minimal hinreichende neuronale Korrelat des Bewusstseins isolieren können und auch verstehen, wie genau die Information in ihm fließt. Von daher ist es zumindest logisch möglich, entsprechende Neuronen und deren Funktionalitäten zu ersetzen. Lassen wir uns auf das Gedankenexperiment ein: Wenn man also Neuron für Neuron durch Bauteile mit gleicher Funktionsweise ersetzen würde – würde man dann das Bewusstsein verlieren oder würde man nichts merken?

Man würde nichts merken, denn der Inhalt unseres Bewusstsein ist Teil eines Modells des Gehirns für den wahrscheinlichsten Zustand um uns herum, sozusagen eine globale Hypothese. In jedem Moment legt eine bestimmte Menge funktionaler Eigenschaften fest, was ich gerade als die Wirklichkeit erlebe. Diese dynamischen Muster in unserem Kopf sind unser bewusstes Erleben – und wenn das richtig ist, dann kann man tatsächlich sagen, dass es einen Ort des Bewusstseins gibt. Wird dieser Zustand der Außenwelt durch andere Bauteile modelliert, ändert sich für den Träger des Gehirns rein subjektiv nichts – sofern diese tatsächlich die gleichen Funktionen haben. Allerdings wissen wir heute nicht im Ansatz, was das Entscheidende an einer Nervenzelle überhaupt ist: Welche Funktion muss der Mikrochip genau haben, der sie ersetzt? Dieses Gedankenexperiment geht davon aus, wir wüssten all diese Sachen bereits.

Und es gibt ein weiteres Problem: Das Gehirn arbeitet so dynamisch, dass der Austausch blitzschnell erfolgen müsste. Stellen Sie sich das vor wie eine große Gruppe zusammen tanzender Menschen: Wenn man hier einen von ihnen während des Tanzes gegen einen Roboter austauschen wollte, müsste man sich sehr beeilen, damit kein anderer Tänzer es merkt. Sonst gerät das ganze System durcheinander oder es entsteht plötzlich ein ganz anderer Tanz. Und auch aus ethischer Sicht gibt es Bedenken dagegen, ein künstliches Bewusstsein zu schaffen.

Das Bewusstsein ist also rein logisch nicht an das Gehirn gebunden. Es könnte auch an anderer Stelle existieren, genau wie Ihre Kopie von „Word“ auch auf einem anderen Computer laufen kann. Wir könnten Bewusstsein rein theoretisch auch auf Großrechnern erzeugen. Bewusstsein ist aber etwas anderes als Wissen, das wäre eher so etwas wie ein maschineller Traum. Und wenn wir das Gedankenspiel fortspinnen, müssen wir uns fragen, ob wir überhaupt wissen können, ob nicht schon jetzt jemand Teile unseres Gehirns ausgetauscht hat. Aber ich kann Sie beruhigen: Was logisch möglich ist, muss noch lange nicht technologisch möglich sein.

Protokolliert von Eva Wolfangel

Neuron

Neuron/-/neuron

Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

Neuron

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Das Neuron ist eine Zelle des Körpers, die auf Signalübertragung spezialisiert ist. Sie wird charakterisiert durch den Empfang und die Weiterleitung elektrischer oder chemischer Signale.

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